19390825 01 Flood Bachtel ZH

Aus Schweizer Sturmarchiv
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Quick Facts

Type of Event Flash Flood
Verification State QC1
ESWD Not reported
Location Bachtel (ZH), Rüti (ZH), Wald (ZH), Dürnten (ZH)
Time / Duration Approx. 15.00 - 17.00 UTC
Date 25.08.1939
Magnitude / Dimension > 100mm of rain in 1 hour
Damage Flooded streets and maedows, landslides
Fatalities 2
Injuries -
Report Source Historical reports, Newspaper report, photos
Remarks -


Ereignis

Am 25. August 1939 kam es im Einzugsgebiet der Jona zu einer Hochwasserkatastrophe.
Durch Überflutung, Hangrutschungen und Übermurung entstanden grosse Schäden an Gebäuden, Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen.
Die Schweiz lag damals in einem Gebiet flacher Druckverteilung mit schwachen Winden.
Im Bereich einer Tiefdruckrinne entstanden praktisch ortsfeste Regenzellen, die sich aus grossen Feuchtigkeitreserven spiesen.
Eine solche Zelle sorgte am Abend des 25. August für extrem intensive Niederschläge im Einzugsgebiet der Jona.
An der Messstation Hinwil-Bachtel wurden 186 mm, in Wald-Hittenberg 107 mm Niederschlag innerhalb 24 Stunden registriert.
Ein grosser Teil dieser Menge ging innerhalb einer bis drei Stunden nieder.
Aufgrund einer hohen Sättigung des Bodens durch vorangegangene Niederschläge entstand oberflächlicher Abfluss.
Dadurch gelangte das Wasser direkt in den Abfluss und führte in der Jona und ihren Zubringern zu einem extremen Hochwasser.
Die Wiederkehrsperiode dieses Ereignisses, sowohl bezüglich des Niederschlags wie auch des Wasserabflusses in der Jona, beträgt hundert oder mehr Jahre.
Die mutmassliche einstündige Regensumme von rund 150 mm am Bachtel gehört zu den höchsten je in der Schweiz gemessenen.
Matthias Sänger


Einzugsgebiet der Jona

Quelle: M. Sänger, Basiskarte: Swisstopo



«Am 25. August ging nachmittags über unsere Gegend ein wolkenbruchartiges Unwetter nieder. In kurzer Zeit überflossen Gräben und harmlose Bächlein und wurden zu Strömen.»
Dies ist ein Auszug aus einem Schüleraufsatz der Schulen Wald und Riedt über die Hochwasserkatastrophe vom Freitag, dem 25. August 1939.
Eine andere Schülerin schrieb: «Auch Brücken wurden weggerissen, sodass der Verkehr einige Zeit stockte. Das war das erste Unwetter, das ich erlebte. Ich werde es nie ergessen.»

Riesige Schäden
Durch das Hochwasser in der Bachtelgegend entstanden Schäden von über 18 Millionen Franken.
Es regnete in dieser Zeit zwischen 150 und 187 Millimeter Wasser pro Quadratmeter. Das Unwetter forderte zwei Todesopfer.
Telefone funktionierten nicht, die Hauptgasleitung zwischen Rüti und Wald wurde teilweise weggespült und Zufahrtsstrassen nach Wald waren blockiert,
jene durchs Grundtal nach Rüti wurde zum Flussbett der Jona, welche einen Wasserstand von mehreren Metern erreichte.
«Ich schritt trostlos heim; denn nirgends sah man ein Plätzchen, das verschont geblieben war», erinnerte sich eine Schülerin.

Der Bachtelspalt entsteht
Ein Erdrutsch nach dem anderen brachte Schutt, Kies und Schlamm über Wiesen und Strassen bis ins Dorf.
«Der Boden federte so stark, sodass ich beinahe eingesunken wäre», berichtete ein Schüler.
Es tat sich der über zehn Meter tiefe Bachtelspalt auf, in welchen Tannen und Buchen versanken.
Kulturland, Brücken, Strassen, Keller, Fabriken und Ställe wurden zerstört.

Augenzeugenberichte

Augenzeuge Hansruedi Knobel:

Das Unwetter im Dorf
«Es war Freitagabend, 25. August 1939. Seit einigen Tagen hatten wir Regenwetter.
Etwa um fünf Uhr abends setzte ein andauerndes, heftiges Gewitter ein. Wasserfäden fielen wie Spaghetti vom Himmel.
In einer halben Stunde war das Hochwasser da. Als ich aus dem Fenster schaute, realisierte ich, dass durch die Strasse im Schlipf ein knietiefer Bach floss.
Ich zog meine Badehose an und ging ins Freie. Von der nahen Kirche läuteten die Glocken Sturm, Feuerwehrsoldaten rannten vorbei.
In der Breitenmatt überschwemmte die Jona die Brücke fusstief, so dass sie jeden Moment fortgerissen werden konnte.
In der Wellenwoog wütete der Fluss wie ein wildes Tier und riss die Strasse vollständig weg.
Wie durch ein Wunder entkamen hier acht Männer, die versuchten, auf einem Steg einen Durchlass zu schaffen, im letzten Moment dem Tod.
Trotz des Einsatzes der Feuerwehren und der Zivilbevölkerung musste man hilflos zusehen, wie das nasse Element entfesselt wütete.»
(Ausschnitte aus einem Vortrag in der Handelsschule)

Augenzeugin Dorothea Budliger:

Gefangen im Binzholz
«Wir hatten Turnen im Binzholz, weil in der Sek keine Turnhalle war, und durften ‹Völk› spielen an jenem Tag.
Kaum hatten wir angefangen, kam der Regen. Da wollte uns die Lehrerin heimschicken.
Aber der Abwart Schenkel rief: «Ihr müsst mir helfen. Der Keller wird überschwemmt.»
Da haben wir mit dem Besen das Wasser gegen die Dole geschoben.
Als die Kinder von der Kühweid nach Hause wollten, mussten sie wieder umkehren.
Darauf hat der Schenkel jemanden geschickt, um Brot zu holen. Die fünf Brote haben wir 15 Mädchen dann in der Turnhalle gegessen.
Inzwischen ging es gegen acht Uhr. Ich durfte mit einer Freundin ins obere Stockwerk, die andern mussten in der Halle auf Matten schlafen.
Kaum war ich im Bett, stand mein Vater mit sieben Feuerwehrleuten da und sagte, ich müsse nach Hause kommen.
Beim Hinuntergehen sahen wir, dass der Binzholzhang schon abgerutscht war. So trugen mich die Feuerwehrmänner durch den Schlamm.
Zu Hause tropfte es durch ein Loch im Dach auf mein Bett, so dass ich ganz nass wurde und für mich dachte, ich wäre besser in der Schule geblieben.»

Augenzeuge Jakob Kunz:
Frauenpower in der Hueb
«Ich war zu Hause: Es regnete und regnete und über die Wiese kam ein Fluss durch die Hueb.
Am andern Morgen sahen wir, dass die Kiesstrasse wie ein Hohlweg zwei bis drei Meter tief ausgeschwemmt war.
Man hätte meinen können, der Bachtelweiher laufe aus.
Der Bach riss Bäume und Stauden mit, die hinter der Fabrik den Bach stauten, so dass alles Wasser durch die Fenster im 1. Stock hinein und unten wieder hinaus lief.
Die Webstühle wurden mit Stein und Dreck zugedeckt. Das Schwungrad der Dampfmaschine war vier Meter hoch und lugte noch ganze 30 Zentimeter aus dem Geröll.
Nachher das grosse Aufräumen: Die Männer waren an der Grenze und die Frauen mussten allen Schutt von Hand in Körben wegtragen.
Auch die nassen Zettel säuberten sie, wobei alle Fäden zuerst abgewickelt werden mussten.
Wie lange es dauerte, weiss ich nicht mehr genau. Jedenfalls wurde in jenem Jahr nicht mehr gewoben.
Ja, ohne die Frauen wäre nichts gegangen!»

Quelle: WAZ Die Zeitschrift für Wald, Nummer 8 Oktober 2014

Bilder

Im Weiler Hueb bahnt sich der gleichnamige, längst über die Ufer getretene Bach den Weg durch die Textilfabrik.
Eine Gerölllawine füllt die Websäle des ersten Stocks. Die Weberei Hueb wurde von einer Gerölllawine regelrecht zugeschüttet.
Das Schwungrad der Dampfmaschine war vier Meter hoch und lugte noch ganze 30 Zentimeter aus dem Geröll.



Chronik Wald

Die nachfolgenden Bilder dokumentieren die Schäden entlang der Jona. Ausgehend ob Wald (ZH) durch das Grundtal bis nach Rüti (ZH).
Die Bilder stammen aus der ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Wehrli, Leo

Übersichtskarte zur Orientierung

© Kai Kobler

A Spinnerei Elba in Wald







B Jonabrücke in Wald







C Bleiche Quartier Wald





D Tiefenhof Spulenfabrik und Stauwehr Wald







E Bahnviadukt Grundtal







F Schwelle im Grundtal beim Töbelibach







Das Gebäude von 1939 existiert noch heute.


G Grosse Strassenlücke ca. 500m oberhalb Pilgersteg







H Pilgersteg und Pilgersteigreservoir Grundtal







I Wasserstandsmarke in Rüti


Zerstörungen durch die Jona im Grundtal.





Dokumentation von Flurschäden bei Wald und im Grundtal
Quelle: GENOSSENSCHAFT FÜR DIE WIEDERHERSTELLUNGS- UND SICHERUNGSARBEITEN IM UNWETTERGEBIET DES ZÜRCHER OBERLANDES (1950):
Die Wiederherstellungs- und Sicherungsarbeiten im Unwettergebiet des Zürcher Oberlandes 1939-1947

Meliorationen, welche unmittelbar nach dem Unwetterereignis durchgeführt wurden (rote Färbung) und näherungsweise die Verbreitung von Flurschäden darstellen




















Messdaten

Gemäss Augenzeugen und Angaben des Beobachters ist ein grosser Teil der 186 mm auf dem Bachtel innerhalb 2 bis 3 Stunden heruntergekommen.
Aufgrund des Abflussverhaltens und des Schadenbildes kann man davon ausgehen das die grösste Stundensumme über 100 mm betrug.

© Matthias Sänger / Quelle: Sturmforum

Tagesniederschlag in mm zwischen 19. und 26. August 1939 (Zahlen 19-26) sowie Gesamtsumme (999)

Quelle: M. Sänger, Daten: MeteoSchweiz

Wettersituation am 25./26. August 1939

Situation auf 300 hPa am 25.08.1939 anhand Reanalyse-Daten: Divergenz (Farbverlauf), Topografie (Linien) und Wind (Vektoren)

Quelle: M. Sänger, Daten: ECMWF ERA-20C Reanalyse

Über Mitteleuropa herrschte eine falche Druckverteilung vor, die mit der tageszeitlichen Erwärmung am Abend kräftige Gewitter erwarten liess.






© Wetterzentrale

Betroffene Gewässer

Jona, Hueb, Töbelibach u.a.

Medienlinks

aus WAZ Die Zeitschrift für Wald, Nummer 8 Oktober 2014



Interna

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