20000605 03 Tornado Wetzikon ZH

Aus Schweizer Sturmarchiv
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Einleitung

Mehrere Augenzeugen beobachteten am 05. Juni 2000 einen Tornado in Wetzikon. Die durch ihn verursachten Schäden wurden in den darauffolgenden Tagen gut dokumentiert.

Die Wettermodelle an jenem Tag wiesen auf schwere Gewitter hin. Die Luft war schwülwarm und gegen Mittag bildeten sich über dem Schwarzwald die ersten Türme.

12Z Sondierung von Payerne:

© Bernhard Oker

Zeitraffer 12.55 - 13.15 Uhr, Standort ETH Hönggerberg, Blick Richtung Norden (Schwarzwald), Bildabstand 30 Sekunden:

© Willi Schmid

Das Gewitter über dem Schwarzwald war vermutlich bereits eine Superzelle. Obwohl im Zeitraffer keine einzelnen Gewittertürme identifiziert werden können, weist die pulsierende Wolkenspitze auf Modulationen der Aufwindstärke hin.

Radaranimation 12.45 - 13.30 Uhr:

Das Gewitter im Schwarzwald ist sehr schön zu sehen. Aber auch im Jura hatte sich eine Superzelle gebildet. Der erste Hagelzug des Tages in der Schweiz.


Im Laufe des Nachmittags verlagerte sich der Schwerpunkt der Gewitter in Richtung Ostschweiz. Über dem Kanton Zug bildete sich um etwa 17 Uhr eine neue Superzelle. Auch in der Ostschweiz quillt es. Von 17.00-17.30 Uhr lief wieder mal ein Folge von Radar-Volumenscans, um das Zuger Gewitter zu durchleuchten. Das Hagelgewitter überquerte den Zürichsee und drang rasch weiter in die Ostschweiz vor. Nach 17.15 Uhr schien die Intensität etwas abzunehmen. Ende der Volumenscans um 17.30 Uhr.

Radaranimation 16.35 - 17.45 Uhr:


Hagelkarte vom 05.06.2000:

Augenzeugenbericht von Andreas Hostettler

Nach langem Brüten über dem Radar, entschliesse ich mich um 16.30 Uhr, Richtung Zelle Wil-Toggenburg aufzubrechen. Etwa 5 km nach Winterthur dann gute Sicht auf die grosse Zelle. Tiefschwarz. Kurz darauf bei Hagenbuch sehr rasche Entwicklung am Rand der Zelle: die unteren Cu cong nehmen eine magneta-grüne Färbung an und schon folgen die ersten heftigen Windböen, sofort runter vom Gas und schon kurz darauf erste Hagelkörner. Die Sicht fällt zusammen und die Böen rütteln wie wild am Auto, das ganze recht verdächtig. Leider kann ich keine Fotos schiessen. Nun prasseln die Hagelkörner immer flächiger runter. Das ganze entwickelt sich zu einer riesigen Kakophonie. Alles fährt auf den Pannenstreifen. Ein paar versuchen ihr Auto unter einer Brücke zu "verstauen" (direkt bei Hagenbuch.) Die Fahrbahnen werden zunehmend weiss und es besteht akute Glatteisgefahr. Nach etwa 15 Minuten hört der Hagel auf und ich versuche auf die Ausfahrt Matzingen rauszukommen. Dort langer Stau. Bei der Abbiegung Richtung Ruggenbüel-Matzingen siehts schlimm aus. 10-15 cm Hagel stauen sich auf den Abfluss-Deckeln und das Wasser kann nicht mehr abfliessen. Auf der leicht abschüssigen Fahrbahn rauscht eine etwa 20 cm hohe "café au lait" Brühe runter. Wirds nun gefährlich, frage ich mich? Erste Autofahrer verlassen ihr Auto und klettern die Böschung rauf. 200 Meter weiter geht nix mehr: eine grosse Tanne liegt quer über der Strasse. Ich wende das Auto und fahre in die Gegenrichtung nach Wittenwil-Aadorf. Bei Wittenwil sind die Felder weiss. 4 Apfelbäume entlang der Strasse einfach umgenietet. Bei Aadorf zieht eine weitere Zelle aus SW auf. Schöne Blitze, aber plötzlich nimmt der Niederschlag stratiformen Charakter an. Das bleibt auch so auf meiner weiterer Fahrt wieder Richtung Matzingen. Matzingen lag voll im Hagelzug; alles weiss. Zum Teil ist die Hauptstrasse auch 40 Minuten nach dem Hagel noch weiss, die Hagelgeleise liegen zum Teil 20-30 cm hoch. Riesen Stau von Frauenfeld her. Im Tal nach Matzingen Richtung Frauenfeld dichter Verdunstungsnebel und kaum mehr Sicht. Später vor Frauenfeld ist nix mehr zu sehen. Ich mache noch einen Umweg über Kreuzlingen. Es gibt zwar noch schöne Blitze aber der "Pfus" ist irgendwie draussen und später gibts nur noch ausgedehnten Landregen, aber zum Teil noch lange recht intensiv.


Wie folgt drei Fotos vom Hagel:


© Andreas Hostettler


© Andreas Hostettler


© Andreas Hostettler

Zweite Meldung von Andreas Hostettler

Also, es kommt noch besser! Ein guter Freund von mir ist heute abend zwischen ca 17.30 - 18.00 in Wetzikon "wahrscheinlich" in eine Trombe geraten. Er befand sich zu dieser Zeit in seiner Werkstatt. Als er kurz draussen war beobachtete er eine aufziehende Böenwalze mit horizontaler Drehstruktur, diese schien aber vorbeizuziehen und er beachtete das ganze nicht weiter; kurz darauf, offensichtlich aus einer anderen Richtung, ging "der Terror" los. Böen aus allen Richtungen; er flüchtet sich in seine Werkstatt und kann dabei die "massive" Türe nicht mehr schliessen. Mit aller Wucht drückt er dagegen; gleichzeitig wird das Dach demontiert. Gegenstände fliegen durch die Luft; der Sicherungskasten hauts in die Luft (Kurzschluss). Philipp, Fahrlehrer und Ex-Lastwägeler, vom Typ her kernig, beginnt langsam um sein Leben zu fürchten! Nach einiger Zeit wirds wieder ruhiger, er geht hinaus und sieht Richtung Hinwil abziehend eine rotiertende Wolke (8-10 Meter breit und etwa 10-20 Meter hoch). Seine Werkstatt ist offenbar recht isoliert vom Schadensbild, sonst sei nicht viel passiert in der näheren Umgebung, 2 Bäume neben dem Haus mit 30-40 cm Stammdurchmesser hats auch gecknickt.



Aufgrund dieser Meldung beschlossen Willi Schmid und Andreas Hostettler, sich am 07. Juni 2000 vormittags in Wetzikon zu treffen, um die Schäden zu dokumentieren. Willi Schmid analysierte vorgängig die Dopplerdaten und machte folgende Erkenntnisse:

- Das Gewitter, welches von Zug her über Wetzikon zog, war eine Superzelle
- Bis ca. 17.15 Uhr kann eine Mesozyklone identifiziert werden
- Danach scheint die Mesozyklone abzusinken und schwächer zu werden
- Gegen 17.30 Uhr nähert sich ein hakenförmiges Radarecho Wetzikon, ca. 7 km SE von Uster
- In den niedrigen Doppermessungen (ca. 1 km über Boden) kann eine lokale Scherzone verfolgt werden
- Diese Scherzone zog von SW nach NE über Wetzikon
- Über der Scherzone findet sich eine sog. Konvergenzsignatur
- Diese Signatur weist auf schnell wachsende Wolkentürme hin


Hakenförmiges Echo:


Augenzeugenbericht von Andreas Häni, Niederhasli

Guten Tag

Habe ich doch noch eine Homepage gefunden, wo ich mein Erlebnis erzählen kann und die Leute glauben mir . Entweder wurde ich Zeuge eines "dust devil" oder eines schwachen Tornados. Den Tag habe ich dank archivierter Papiere und die Zeit dank meiner Stundenliste vom Jahr 2000 rekonstruiert. Es stimmt +- 1 Std.

Es war also am 5. 6. 2000, als ich mit einer Arbeitskollegin in Wetzikon unterwegs war. Es sah schon um 16:30 in Zürich nach Gewitter aus und als wir zwischen 17:00 und 18:00 in Wetzikon waren, kamen Sturmböen auf. Wir standen am Lichtsignal Rapperswiler-/Grünigerstrasse und fuhren darauf los, Richtung Gossau in die Grüningerstr. Kurz nach der Kreuzung überquert man eine SBB-Brücke. Noch vor dieser Brücke (im relativ Windstillen Bereich) sah ich, das nach der Brücke (ca. 702542/241326) Äste, Blätter und Staub von links nach rechts (Ost nach West) über die Strasse fegen. Ich dachte noch, wie das sein könne, dass es auf der Brücke nicht Stürmt und (mittlerweile mit dem Auto auf die Brücke fahrend) nach dieser ein solcher Sturm hersche. Dort angelangt, erfasste uns diese Böe oder dieser Sturm so heftig, dass ich eine enorme Steuerkorrektur machen musste, um nicht neben der Strasse zu landen (mit ca. 35km/h). Der Zufall wollte es, dass wir gerade wieder umkehren mussten. Ich machte linksumkehrt in der Hofstrasse und wir fuhren zurück über die SBB-Brücke. Nun sahen wir auf der rechten Seite (ca. 702637/241294) eine Staubhose. Ja, sie drehte richtig um die Hochachse (wie z.B. die Wirbelschleppen eines Flugzeugs, wenn es staubig ist im Anflugbereich, nur viel grösser) Ich kann leider nicht sagen, ob sie vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze reichte, denn ich war so paralisiert vom Anblick dieses "Dings", dass ich nur in die Mitte schaute. Zudem musste ich ja auch noch fahren. Der Durchmesser schätze ich auf 50-70m. Sofort wurde mir klar, dass ich vorhin in diesem "Ding" drinn war mit unserem Auto (darum der extreme Windunterschied). Später auf der Spitalstrasse (weiter nördlich) setzte schwerer Hagel ein (Durchmesser beinahe wie ein Pingpongball)

Bis jetzt war es immer sehr schwer, die Leute von meinem Erlebnis zu überzeugen. Aber ich habe ja jetzt eure Homepage gefunden

Gruss Andy Häni, Niederhasli



Schadensbericht von Willi Schmid

Philip, Fahrlehrer und Motorradfan, erzählt bereitwillig seine Geschichte. Wir begutachten die umgeworfenen Bäume. Weitere Äste sind ziemlich weit geflogen. Interessant die Fallrichtung der Bäume: gegen Nordwesten! Die verschwundenen Dachziegel sind bereits ersetzt. Das geht schnell in der ordentlichen Schweiz. Dann zeigt uns Andi das Feld, über welches die Trombe weiterzog. Am anderen Ende ist eine Garage. Wir gehen dorthin und treffen den Inhaber. Er erinnert sich sofort. "Das war eindeutig ein Wolkenwirbel, wie man ihn in den amerikanischen Tornado-Filmen sieht." erklärt er. Dann zeigt er uns ein geknicktes Bäumchen. Auch hier sind weggeblasene Dachziegel bereits wieder ersetzt. Auf dem Asphalt aber sind noch die Spuren der runtergefallenen Ziegel sichtbar. Entlang einer Bachböschung liegen abgebrochene Äste. Dahinter ist ein Sportplatz mit rotem Sandbelag und herumliegenden Blättern und Asten. Später erzählt eine Frau dem Andi, dass sich die Trombe rot gefärbt hätte, als sie über den Sportplatz zog.


Umgeworfene Bäume:

© Willi Schmid

Geknicktes Bäumchen:

© Willi Schmid

Spuren der heruntergefallenen Ziegel:

© Willi Schmid

Foto vom roten Sandplatz:

© Andreas Hostettler

Auch Paul Ruppert, Direktor der Meteolabor, wurde Augenzeuge des Tornados. Die Firma Meteolabor liegt nur wenige 100 m vom Ort des Geschehens entfernt.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Szenario in wesentlichen Punkten dem Tornado von Oberhofen (AG) (22. Juli 1995) ähnelt. Fünf unabhängige Augenzeugen haben eindeutig einen rotierenden Wolkenschlauch erkannt. Der Zeitpunkt lässt sich auf ca. 17.25-17.30 Uhr eingrenzen. Den Schäden nach zu urteilen, dürfte die Intensität dieses Tornados im Bereich F0 bis F1 gelegen haben.


Unglaublich: Während der Schadensbegutachtung machten Willi Schmid und Andreas Hostettler übrigens selbst eine Tornadobeobachtung (siehe separates Ereignis).


Thread im Sturmforum:
http://www.sturmforum.ch/showthread.php?id=1834