18760611 01 Flood Ostschweiz: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Beim Hochwasser 1876 schoss das Militär aus Sicherheitsgründen die Mauer der Kurzdorferbrücke weg.'''<br>
'''Beim Hochwasser 1876 schoss das Militär aus Sicherheitsgründen die Mauer der Kurzdorferbrücke weg.'''<br>
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'''FRAUENFELD'''<br>
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Prekär war die Lage bei der Kurzdorferbrücke, wo sich Schutt, Bäume und das Turbinenhaus der 200 Meter entfernten Fabrik «zum Gutschick» verfangen hatten.<br>
Prekär war die Lage bei der Kurzdorferbrücke, wo sich Schutt, Bäume und das Turbinenhaus der 200 Meter entfernten Fabrik «zum Gutschick» verfangen hatten.<br>
''Weil man eine Überflutung der Brücke befürchtete, schoss die Artillerie das angeschwemmte Haus und einen Pfeiler der Brücke mit Kanonen zusammen'', weiss Andrea Hofmann.<br>
''Weil man eine Überflutung der Brücke befürchtete, schoss die Artillerie das angeschwemmte Haus und einen Pfeiler der Brücke mit Kanonen zusammen'', weiss Andrea Hofmann.<br>
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Die Übung misslang, denn das Fundament-Mauerwerk stand zu tief unter Wasser. Anderntags brach der Strom durch und bedrohte die Häuser nach der Brücke.<br>
Die Übung misslang, denn das Fundament-Mauerwerk stand zu tief unter Wasser. Anderntags brach der Strom durch und bedrohte die Häuser nach der Brücke.<br>

Version vom 22. Februar 2023, 21:56 Uhr

Quick Facts

Type of Event Flood
Verification State QC1
ESWD Not reported
Location Nordostschweiz
Time / Duration 24 hours
Date 11./12.06.1876
Magnitude / Dimension >200mm of rain in 24 hours
Damage -
Fatalities -
Injuries -
Report Source chronicles, general archive
Remarks -

Ereignis

Schwere Wasserverheerungen in der Nord- und Ostschweiz mit grösserem territorialem Ausmass als 1868.
Ursachen waren langandauernde Landregen und darauf folgende intensive Gewitter auf einen stark vernässten Boden.
Der Gesamtschaden betrug über 14 Millionen Franken.
Nebst zahlreichen Rutschungen wüteten vor allem Flüsse mit ihren extrem langen Hochwasserspitzen (ohne die zahlreichen sogenannten Dorfbäche speziell zu erwähnen):
Rhein, Thur, Sitter, Urnäsch, Murg, Lauche, Töss, Glatt, Reuss, Aare, Emme und Birs. Insgesamt wurden 13 Kantone betroffen.

Quelle: Gerhard Röthlisberger - Chronik der Unwetterschäden in der Schweiz




Abflussspitzen

Maximale Abflüsse: (mit Gefahrenstufe)

GS5 | 5'700 m3/s Rhein - Basel (13.06.1876) >> Jahreshochwasser | Statistik | Standortkarte | > Rekordabfluss

Rheinhochwasser in Basel am 13. Juni 1876

© Staatsarchiv Basel-Stadt

Messdaten

(von R. Billwiller)

Übersicht Regenmengen >70mm vom 11. Juni 1876

© Kai Kobler >> Link zu interaktiver Karte

Übersicht Regenmengen >100mm vom 11. und 12. Juni 1876

© Kai Kobler >> Link zu interaktiver Karte

Bilder

Töss Metzgerstrasse-Schlosstal in Winterthur

Töss Nägelseestrasse-Schlosstal in Winterthur

Quelle: Winterthurer Bibliothek

Hochwasser des Rhein in Schaffhausen

© Louis-Alphonse-Tronel

Zeitungsartikel


Quelle: St.Galler Zeitung 14. Juni 1876




Quelle: Neue Zürcher Zeitung 14. Juni 1876

Medienlinks

© MeteoSchweiz ANNALEN der SCHWEIZERISCHEN METEOROLOGISCHEN ZENTRAL-ANSTALT 1876

Berichte

Von Christina Schaffner, 13. Juli 2021
Hochwasser – früher und heute

1876 war es viel schlimmer
Auch wenn dieses Hochwasser eine gewisse Gefahr barg, der Gütighauser Campingplatz für zwei Tage geräumt wurde und es in Zürich verboten war, auf der Limmat zu «böötlen»
– es war kein Vergleich mit den Hochwassern, die früher wüteten.

Vor 145 Jahren, im Juni 1876, führte langanhaltender, ergiebiger Regen zu so viel Wasser, dass alle Flüsse über die Ufer traten und riesigen Schaden anrichteten.
Hänge, Strassen und auch Häuser wurden weggespült. An der Thurbrücke in Andelfingen ist an der Hochwassertafel nur das Hochwasser von 1789 höher markiert.
Und an dritter Stelle folgt eines aus dem Jahr 1664.

In einem Beitrag erinnerte die Andelfinger Zeitung am 18. Juni 1946 an das Jahrhunderthochwasser von 1876, das die gesamte Ost- und Nordostschweiz heimsuchte.
Selbst 70 Jahre danach würden noch alte Leute von den «angstvollen Tagen» erzählen. Die beispiellose Nässe jenen Jahres sei einzigartig in der Zürcher Witterungsgeschichte.
Bereits der Februar sei mit der dreifachen Menge Niederschlag ausserordentlich regnerisch gewesen. Der März brachte die vierfache, April und Mai die doppelte übliche Niederschlagsmenge.
Bis Mitte Juni war bereits die gesamte durchschnittliche Jahresmenge Wasser vom Himmel gefallen.

Viermal mehr als Wolkenbruch
Das viele Wasser über diese Monate hatte die Böden aufgeweicht, und diese konnten kaum noch Feuchtigkeit aufnehmen,
wie in einem Artikel von Ingenieur Allemann im «Eisenbahner» von 1876 zu lesen ist.
Darauf sei in nur zwei Tagen die bis zu vierfache Menge eines «normalen» Wolkenbruchs gefallen.
«Die Retentionsfähigkeit (Aufnahmefähigkeit) der Wälder und der bewaldeten Abhänge hat uns diesmal im Stich gelassen,
was die vielen Rutschungen an den bewaldeten Gehängen der betroffenen Landesteile zur genüge beweisen», schrieb Allemann damals.
Dies sei eine der Ursachen für das extreme Hochwasser.

Thur trotzdem begradigt
Eine andere sah er in der für diese Regenmengen ungenügenden Weite der Abflussprofile der Bäche und kleineren Flüsse.
Er plädierte dafür, bei neuen Flusskorrekturen steile Uferböschungen zu vermeiden und stattdessen flache Böschungen anzulegen.
Trotzdem wurde nach dem Hochwasser auch die Thurkorrektion vorgenommen und der Fluss über weite Strecken in ein schnurgerades Flussbett gezwängt.
1890 war dieses Riesenbauwerk beendet – inzwischen wurde die Thur aber an einigen Strecken wieder renaturiert, wie beispielsweise im Naturschutzgebiet Thurauen.
Hier darf die Thur auf dem letzten Stück vor der Mündung in den Rhein wieder frei fliessen.

Auch der Rhein war 1876 vom Hochwasser betroffen. In Ellikon am Rhein ist dies am Gebäude des Gasthauses zum Schiff die höchste Hochwassermarke.
Damals waren in Bussnang Häuser vom Furtbach weggeschwemmt worden, darunter auch das Notariatsbüro.
Laut der Weinfelder Chronik wurden dabei Bücher, Zivilstands- und andere Akten weggeschwemmt und in Rüdlingen in einer Kiste wieder gefunden.



MATZINGEN.
Brücken wurden niedergerissen, Pferde ertranken.
Was das Hochwasser von 1876 in Matzingen anrichtete, zeigt eine sehenswerte Ausstellung im Ortsmuseum.

Ferdinand Stutz und Doris Riedener erinnern an das Unwetter:

Die Scheune der Neubrücke verschwand in tobenden Wassermassen und vier Pferde ertranken.
Ebenso wurden die Brücken mitsamt den Stegen niedergerissen. Augenzeugen gibt es keine mehr, die über das Hochwasser der Murg in den Junitagen 1876 berichten könnten.
Aber aufmerksame Mitbürger bewahren Andenken an die Naturkatastrophe auf, die damals die Thurgauer an den Flüssen hart traf.
So hat der 80jährige Kurator des Ortsmuseum Matzingen, Ferdinand Stutz aus Andelfingen, Bilder und Karten gesammelt, welche die schrecklichen Fluten von anno dazumal zeigen.
Sie sind unter dem Titel «Hochwasser von 1876 in Matzingen» im Rahmen der Sonderausstellung «Zeit und Kalender» im «Haus Rosengarten» zu sehen.
Doris Riedener, pensionierte Primarlehrerin aus Matzingen und Führerin des Ortsmuseums, weiss viel Wissenswertes darüber zu erzählen.

Am 8. Juni 1876 setzten schwere Gewitter ein und zwei Tage später begann es heftig zu regnen.
Regnet es lange und ergiebig, nimmt der Boden immer weniger Wasser auf, es kann nicht mehr versickern. Die fünf Flüsse in Matzingen überlagerten sich.
Bei der Spinnerei Matzingen legte sich ein Erdrutsch quer über die Strasse und zwischen den Posthäusern und dem Dorf war die Strasse auf rund 60 Meter weggespült.
Die Lauche hatte die Landstrasse beim Schulhaus ausgelöscht.
Ein trauriger Anblick ergab der Friedhof mit den freigelegten Särgen, die den Fluss hinuntertrieben.

«Liebesgaben» des Staates Der Wasserstand war bald auf über drei Meter angestiegen. Die Murg trat über das Lauchenfeld, skizzierte damals die «Alpenpost».
Die Neubrücke, die Teigwarenfabrik und die Mühle mussten teilweise verlassen werden.
Ein Bild in der aktuellen Ausstellung schildert die Flucht und Angst der Menschen. Die hölzerne Notbrücke über die Lauche wurde nach dem Hochwasser als erste erstellt.
Ferdinand Stutz zeigt ein Modell davon in der Ausstellung. Ein Bericht des Thurgauer Regierungsrates von 1878 zeigt auf Plänen das Überschwemmungsgebiet Münchwilen bis Frauenfeld.
Thurgauer Gemeinden wie Matzingen, die grosse Wasserschäden erlitten hatten, wurden «Liebesgaben» des Staates verteilt.
Zudem spendeten Private für den aufwendigen Wiederaufbau der Strassen und Brücken.


Evi Biedermann 31.07.2014
Als die Murg Brücken und Häuser mitriss
Die Frauenfelder Stadtführer lotsen ihre Teilnehmer in die verborgensten Winkel und erzählen Geschichten, die selbst Einheimische zum Staunen bringen.
So weiss Andrea Hofmann, dass die Murg 1876 das ganze Kurzdorf unter Wasser setzte.

Beim Hochwasser 1876 schoss das Militär aus Sicherheitsgründen die Mauer der Kurzdorferbrücke weg.

FRAUENFELD
Es war das Wochenende vom 11. und 12. Juni 1876, als in Frauenfeld der Notstand ausgerufen wurde.
Langanhaltende Niederschläge und ein heftiges Gewitter hatten den Mühletobelbach und die Murg in reissende Flüsse verwandelt.
Zuerst schlugen die Langdorfer Alarm, wenig später riefen auch die Stadtbewohner um Hilfe.
Die Murg war innert Stunden um mehrere Meter angestiegen und riss alles mit, was ihr in die Quere kam: Bäume, Stege, Brücken und ganze Häuserteile.
Bei der Schlossbrücke stieg das Wasser bis zur Wölbung, und man fürchtete, es würde zum «Löwen» durchbrechen.
Das Gasthaus stand auf dem Areal, wo heute das Postgebäude steht.

Auch die TZ in Bedrängnis
Von der Wassernot war der ganze Kanton betroffen, Bahn- und Postverkehr waren in fast alle Richtungen unterbrochen.
Die Thurgauer Zeitung schrieb am 13. Juni auf der Frontseite:
Wir sind noch nicht in der Lage, jetzt schon ein auch nur annähernd vollständiges Bild des Geschehens zu machen. (…)
hier in Frauenfeld, wo das Element wohl am schlimmsten haust, und gerade in dem Augenblick, da wir diese Zeilen hinwerfen,
die Gefahr grösser zu sein scheint als je zuvor. Das ganze Kurzdorf stand damals unter Wasser, weiss Andrea Hofmann.
Die Stadtführerin bringt auf dem Rundgang durch das Quartier die Teilnehmer an jene Orte, wo es besonders schlimm war.
Da staunen manchmal auch Einheimische, sagt sie.
Die Führung durchs Kurzdorf ist neu im Programm der Stadtführungen und wird vom Tourist-Service Regio Frauenfeld organisiert.

Prekär war die Lage bei der Kurzdorferbrücke, wo sich Schutt, Bäume und das Turbinenhaus der 200 Meter entfernten Fabrik «zum Gutschick» verfangen hatten.
Weil man eine Überflutung der Brücke befürchtete, schoss die Artillerie das angeschwemmte Haus und einen Pfeiler der Brücke mit Kanonen zusammen, weiss Andrea Hofmann.

Die Übung misslang, denn das Fundament-Mauerwerk stand zu tief unter Wasser. Anderntags brach der Strom durch und bedrohte die Häuser nach der Brücke.
Mit weiteren 12 Granatschüssen wurde nun die Flügelmauer weggeschossen, erklärt Andrea Hofmann. Das habe die Situation entschärft.

Sachschaden und Tote
Das Unwetter forderte in Frauenfeld mindestens vier Menschenleben, und insgesamt gingen 33 private Schadenmeldungen ein.
Der Gesamtschaden im Bezirk Frauenfeld betrug 850 000 Franken, 200 000 Franken fielen auf die Ortsgemeinde.
Noch im selben Juni bewilligte der Grosse Rat einen Kredit für die Korrektion der öffentlichen Gewässer.
Vier Jahre später waren die Arbeiten an der Murg abgeschlossen. Den Hochwasserstand von 1876 hat die Murg seither nie mehr erreicht.
Eine Tafel bei der Schlossbrücke erinnert noch heute an die Überflutung.


Interna

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