18870602 02 Hail Suhr AG

Aus Schweizer Sturmarchiv
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Quick Facts

Type of Event Large Hail
Verification State QC1
ESWD Not reported
Location Mainly affected by the large hail was Suhr (AG), Buchs (AG), Rohr (AG)
Time / Duration 17.45 local time +/- 15 min
Date 02.06.1887
Magnitude / Dimension Estimated 3 - 5 cm in diameter
Damage damaged crop, broken windows
Fatalities -
Injuries -
Report Source Historical report
Remarks -

Ereignis

Gewitterzug (b) breit aber kurz vom Napf aus über die Kantone Luzern und Aargau an den Zürichsee und über den Solothurner und Aargauer Jura ziehend.
Zugrichtung Süd-Südwesten nach Nord-Nordosten. Gewitterzuglänge 60km. Zuggeschwindigkeit 30km/h.

Wir geben in erster Linie eine übersichtliche Schilderung dieses Hagelschlages aus einem grösseren Bericht des Adjuncteu des Kantonsoberförsters:

Gegen 17.00 Uhr Abends begann das Gewitter auf luzernischem Gebiete bei Beiden, wo es vorerst nur in Strömen regnete.
Erst vom sog. Reidner Letten an abwärts im engen Thale der Uerke schlugen aus dem Regen auch einige Schlossen nieder
und schon auf der aargauisch-luzernerischen Grenze fielen die Hagelkörner so dicht, dass sie bereits bedeutenden Schaden an Wald und Feld anzurichten vermochten.
Gleichzeitig trieb ein furchtbarer Orkan daher, der auf seinem Wege unbarmherzig niederriss und zerstörte, was der Hagel verschont hatte.
Dieser Orkan trieb die taubeneigrossen Hagelkörner mit rasender Eile vor sich her, so dass in Zeit von einer halben Stunde ein 18 Km. langer, an einer Stelle sogar 5 Km. breiter Landstrich beinahe völlig verwüstet war.
Die Hagelkörner fielen ungemein dicht, ungefähr in einem Winkel von 85°, also sehr schief und so heftig, dass sie 50cm und noch höher wieder vom Boden zurückprallten.
Binnen 5 Minuten war der Boden bereits mit Hagelkörnern dicht bestreut.
Die Schlossen hatten die Grösse von Taubeneiern und waren nicht rund, sondern vielkantig und eckig, wie Strassenkies, dabei aber vollständig klar und durchsichtig wie reines Eis. (R. Hünerwadel)

Wir lassen ferner den Bericht von Kreisförster Heusler in Lenzburg in ganzem Umfang folgen, sowohl wegen der darin zusammengestellten Thatsachen,
als auch weil derselbe als Muster einer eingehenden und objektiven Schilderung aus eigener Anschauung eines untersuchten Hagelschlages gelten darf:

Schon gegen 17.00 Uhr Abends sammelten sich am Solothurner Jura in der Gegend von Lostorf und Olten schwarze, compakte Wolken, und war vereinzelter, schwacher Donner vernehmbar.
Der damals noch herrschende Nord- bis Nordwestwind trieb dieselben in südöstlicher Richtung gegen Kölliken und Schöftland.
Von dorther vernahm man auch die ersten und einzigen kräftigeren Donnerschläge. Die Wolken nahmen zweierlei Färbung an, der untere Teil war schwarzblau, der obere gelbgrau.
Ca. um 17.30 Uhr trat nun der Föhn hinzu und trieb die unheilverkündenden Gewitterwolken nicht nur in veränderter Richtung von Südwest nach Nordost,
sondern verursachte gleichzeitig einen orkanartigen Sturm, dem unmittelbar darauf starke Regentropfen und alsdann sofort die Hagelschlossen folgten.
Diese fielen in der Zeitdauer von 10-15 Minuten, waren von Hasel- und Baumnussgrösse und grösser, rundlicher, zackiger und etwas abgeplatteter Form, schwach durchsichtig; Stärke der Schicht 4-6 cm.
Die Steine fielen alle in der herrschenden Windrichtung von Südwest nach Nordost mit einem ungefähren Neigungswinkel von 60—65°.
Der Aufschlag war weniger kräftig, was auf geringe Höhe der Hagelwolken schliessen lässt.
Dies das Allgemeine über die Entstehung und den Verlauf des Gewitters und Hagelschlages.

Nun zu dem speziellen Bericht von dem Standorte Rohr:
Im J.John des Suhrhard (Gemeinde Suhr) über 40 Eichen-Oberständer entwurzelt am Boden liegend. Grausiges Bild der Verwüstung durch den orkanartigen Sturm!
Die Holzmacher mussten sich flüchten, und Rothtannen-Rinde zum Schutz über die Köpfe decken; beinahe wären sie von einer fallenden Eiche getroffen worden.
Dieselben behaupten auch, dass dort (zwischen Quote 386 und 387 längs der Bahnlinie) Hagelsteine in Hühnereier-Grösse und darüber, zackig und Kompakt, gefallen seien.
Die schönen Waldfeldkulturen allda sehen bedenklich aus; Gipfeltriebe meist abgeschlagen. Von dem Gebiete, das ich durchreist, war der Hagelschlag hier jedenfalls am bedeutendsten.

An diesem Orte konnte ich die östliche Grenze des Hagelstriches auf der Strasse Rupperswyl-Rohr genau bei den Rütenen, östlich von Rohr fixieren,
und denselben in südlicher Richtung bis auf die N.O.B.-Linie im Suhrhard, und in nördlicher Richtung bis an die Aare verfolgen.
Der sog. "Untere Schachen" war so zu sagen intakt, während das "Untere Feld" total zerhackt war.
Die westliche Hagelstrichgrenze war nicht so deutlich erkennbar wie die östliche.
Immerhin steht fest, dass bei Aarau nur die Herzoggüter, die neue Kranken-Anstalt, die Gaiss, das Zschokke'sche Etablissement,
sodann weiter gegen die Aare zu das Weiergut, das Quellhölzli von Buchs, und der östliche Theil des Bibersteiner Schachens namhaften Schaden aufwiesen,
und je weiter östlich dieser Linie um so stärker der Hagelschlag sich zeigte. So traf ich den "Oberen Schachenhof weit weniger verhagelt als den "Unteren Schachenhof samt Fabrikgebäude am Giessen.

Es mögen hier noch einzelne Details vom Hagelgebiet von Rohr und Umgebung Platz finden:
Schlossen im Dorf von Baumnussgrösse ungemein dicht. Wenig oder kein Regen vor und nach dem Hagelschlag.
Am 4. Juni 1887 Morgens fand ich noch viele Maden zusammengebackener Eisstücke unter der Traufe der Strohdächer.
Fensterscheiben zerschlagen; Turngerüst gefällt; Bäume beinahe entlaubt.
Im hintern Feld und Fuchswinkel südlich von Rohr: Viele Bäume entwurzelt oder ihrer Aeste beraubt; Kirschen massenhaft am Boden liegend.
Aecker nicht mehr erkenntlich, welche Frucht sie getragen, ob Korn, Roggen oder Gras.

Wenn das Hagelwetter vom 2. Juni 1887 auch ganz bedeutenden Schaden über einzelne Gemeinden des Bezirks Aarau gebracht hat, und in seiner Art sehr heftig genannt werden muss,
so reicht dasselbe an Stärke und verheerender Wirkung noch lange nicht an dasjenige vom 30. Juni 1885 im oberen Wynen- und Seethal längs der Luzerner Grenze.
Dort war die Ausdehnung des Hagelstriches nach Länge und Breite viel grösser, der Hagel viel anhaltender und die den Boden bedeckende Hagelschicht weit mächtiger.
Was das Gewitter vom 2. Juni aber besonders auszeichnet, ist der orkanartige Sturm, mit dem dasselbe begleitet war, dem leider so viele Obst- und Waldbäume zum Opfer gefallen sind.
(Lenzburg, den 15. Juni 1887. Der Kreisförster: Rud. Heusler)

Von den Zeitungsberichten geben wir die folgenden:

Der Hagelschlag war so stark, dass er Ziegel und Fensterscheiben zerstörte.
Dieses Gewitter wird allgemein als das stärkste seit Menschengedenken geschildert, und weil hier Hagelwetter selten, so hat auch Niemand versichert.
Der Schaden geht in die Tausende. Gestern Mittags um 4 Uhr lagen bei der neuen Krankenanstalt noch Haufen zusammengebackener Schlossen.

(Korr. aus Zell vom 2. Juni. „Vaterland")
Der Morgen mit seinem dichten Nebel liess auf ein Gewitter schliessen und es trat wirklich ein.
Unter starkem Windsturm fielen 5 Minuten lang Hagelkörner bis Baumnussgrösse. Lange nachher lagen dieselben noch fusshoch in den Dachtraufen.
In den betroffenen Gegenden (Dorf Hüswil und ein Theil des Bodenbergs) sind die vorgerückten Feld- und Gartenfrüchte ganz zerhackt.
Der Roggen vorab ist ganz dahin. Der Schaden ist ganz bedeutend. Soeben vernehme ich, dass auch Theile von Ebersecken und Richenthal sehr stark mitgenommen seien.

Das gestrige (2. Juni) von wüthendem Sturme und Hagelwetter begleitete Gewitter hat in der Umgebung von Aarau verderblich gehaust.
In Suhr und Buchs hat der Sturm viele Bäume entwurzelt, der Hagel die Bäume fast kahl geschlagen, den Roggen zerhackt.
Heute Morgen lagen noch die Schlossen haufenweise am Strassenrand.
Auch in Aarau sind von den Schlossen Fensterscheiben zertrümmert worden, und unter den Bäumen in den Gärten liegen Massen abgeschlagener Blätter und neuer Schosse.
Erlisbach und Küttigen blieben verschont. Dagegen wurde auch Entfelden arg mitgenommen.
„Aargauer Nachrichten" vom 3. Juni.

Suhr.
Das Gewitter vom letzten Donnerstag (2. Juni) Abend hat, vom Föhn getrieben, in der Richtung von Muhen, Oberentfelden Ausserdorf, Ober-Suhrfeld, Suhr Hinterdorf, Buchs und Rohr am ärgsten gewüthet.
Es hat allerdings noch breite Spuren hinterlassen, aber speziell auf diesem Strich ist Roggen, Korn, Lewat und Gras gänzlich zerhackt.
Die Bäume sind ganz oder halb kahl und Dutzende derselben, worunter von den schönsten und kräftigsten, liegen geknickt oder entwurzelt am Boden; in Oberentfelden sind in einigen Baumgärten weitaus die meisten gefallen.

Muhen. (Korr. vom 3. Juni)
Der gestrige Tag war für die hiesige Gegend ein Unglückstag.
Gegen 18.00 Uhr Abends kam von Südwest her ein fürchterlicher Orkan, der den nordwestlichen und nördlichen Theil dieser Gemeinde bestrich in der Richtung nach Oberentfelden.
Am meisten litt die Mitte des Thales. Im Haid zu Unter-Muhen liegen die schönsten Bäume vollständig entwurzelt am Boden.
Ein Bürger allein verliert 17 der schönsten mit junger Frucht beladene Obstbäume, im Werte von mehr als 2000 Fr.
Zwischen Muhen und Entfelden in der Richtung nach Suhr ist das Getreide fast vollständig vernichtet und die Futtergewächse furchtbar beschädigt.


Charakteristische Gewitterzüge am 2. Juni 1887
(Grössere zusammenhängende Hagelstriche sind durch Schraffierung markiert)

© MeteoSchweiz, Lith. Joh. Frey, Zürich

Medienlinks

© MeteoSchweiz ANNALEN der SCHWEIZERISCHEN METEOROLOGISCHEN ZENTRAL-ANSTALT 1887

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