19530609 01 Flood Westschweiz: Unterschied zwischen den Versionen

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==Ereignis==
==Ereignis==
'''Am 1. Juli 1954 sind im Gebiet des Muotatals, des Pragelpasses und Walensees sowie strichweise im Kanton Appenzell Niederschlagsmengen von 100 bis 130 mm gefallen.<br/>
[[File:19530609 01 Flood Westschweiz_text.jpg|435px]]<br/>
'''Im Alpengebiet der Zentral- und Nordostschweiz sind fast überall 70 mm überschritten worden und das Gebiet mit mehr als 40 mm<br/>
Quelle: Die Tat, 12. Juni 1953<br/><br/>
'''umfaßt überhaupt den ganzen Bereich des  Alpennordhangs, ferner Nord- und Mittelbünden sowie einen Streifen im mittleren Tessin.<br/>
'''Die Niederschläge setzten in Zürich am 30. Juni um 18 h, in der Westschweiz schon am Morgen dieses Tages ein und dauerten bis um etwa 1 h des 2. Juli.<br/>
'''Das Regengebiet erstreckt sich auch über Westdeutschland längs des Rheins bis Frankfurt und dann weiter als schmaler Streifen etwa bis Hannover.<br/>


'''Am Vortag, den 30. Juni hatte die Morgen Wetterkarte noch einen Hochdruckrücken erkennen lassen, der sich vom Atlantikhoch<br/>
'''Bemerkenswert sind vor allem die Niederschläge, die am 9. und 10. Juni 1953 vorwiegend in der Westschweiz gefallen sind.<br/>
'''(dessen Maximum in 45° nördlicher Breite  und 25° westlicher Länge lag) über Großbritannien nach Norddeutschland erstreckte.<br/>
'''Am 9. Juni übersteigen dieselben in einem Gebiet, das den Jura und das Waadtland westlich der Linie St.Ursanne, Neuchatel, Estavayer, Echallens, Vevey umfaßt den Betrag von 50 mm.<br/>
'''Die Bodenwinde wehten in Nordfrankreich somit aus Ost. Das war auch in der Nordsee noch den ganzen Tag der Fall.<br/>
'''Im Jura sind vereinzelt sogar 100 mm erreicht worden. Die übrige Schweiz östlich der Linie Leysin, Jaun, Murten, Delemont hat meist weniger als 20 mm aufzuweisen.<br/>
'''In Südfrankreich war die Windrichtung etwas unbestimmt (schwaches Teiltief der Mittelmeerdepression) immerhin wehten in der Rhoneebene ausgesprochene Nordwinde.<br/>


'''Ein ganz anderes Bild bietet die Höhenwetterkarte. Die Isohypsen der 500-Millibarfläche zeigen eine Tiefdruckrinne,<br/>
'''Diese Niederschläge sind auf folgende Situation zurückzuführen:<br/>
'''die sich von Norddeutschland über Belgien, Nordwestfrankreich, den Golf von Biscaya bis zum Atlantik westlich von Portugal erstreckt.<br/>
'''Die Wetterkarte vom 9. Juni 01 h zeigt eine Depression über den Alpen mit einem ersten Druckminimum bei Nizza und  einem zweiten nordöstlich des Bodensees.<br/>
'''Südfrankreich und die Schweiz liegen somit im Bereich einer kräftigen, relativ warmen Höhenströmung aus Westsüdwest, welche somit mehr oder weniger entgegengesetzt der Bodenströmung verläuft.<br/>
'''Auf der Ostseite fließt tropische Warmluft vom Mittelmeerraum her nordwestwärts. Die Warmfront verläuft etwas über Warschau, Berlin, Köln, Dijon, Nizza.<br/>
'''Daher fällt in Südfrankreich und in der Westschweiz zeitweise Niederschlag während in der Nordostschweiz, die im Windschatten liegt, wenigstens nachmittags bei  leichter Bise sonniges Wetter herrschte.<br/>
'''Sie erzeugt ein ausgedehntes Niederschlagsgebiet über dem südlichen Frankreich,<br/>
'''Es handelt sich offenbar um den Aufgleitregen der warmen Höhenluft aus WSW über die kalte kontinentale Bodenluft aus Ost bis Nord.<br/>
'''wo am Boden Kaltluft aus dem Norden des Kontinents in starkem Strom südwärts fließt, während die Schweiz bei vorwiegend östlichen bis nördlichen Winden noch im Warmluftgebiet liegt.<br/>
'''In der Folge verlagerte sich das atlantische Hoch südostwärts in der Richtung auf Südwesteuropa während gleichzeitig über Italien sich ein Tief entwickelte,<br/>
'''das sich bis zum 2. zu einer ziemlich tiefen Depression über Jugoslawien-Ungarn-Südpolen auswuchs.<br/>


'''Damit bildete sich in Frankreich am 1. eine kräftige Bodenströmung aus Nordwesten aus. Auch die Höhenkarte von 3 h zeigt bereits Nordwestwind über Bordeaux.<br/>
'''Die Luft ist hier etwa 5° wärmer als in der Kaltluft. In der Höhe herrscht am 9. Juni über den Alpen eine kräftige Ostströmung, das Höhentief (500-Millibar-Fläche) liegt über  dem Golf von Genua.<br/>
'''Das Höhentief lag um diese Zeit noch über Frankreich, verlagerte sich jedoch bis zum 2. südostwärts nach Norditalien, wobei sich das Nordwestwindfeld über ganz  Westeuropa ausdehnte.<br/>
'''Die ganze Depression verlagert sich langsam nordwärts, indem das südliche Tief sich ausfüllt und das nördliche (das am 9. Juni 13 h bei Regensburg liegt) sich vertieft.<br/>
'''Während dieser Umgestaltung der Strömungsverhältnisse sind in der Schweiz die größten Niederschläge gefallen.<br/>
'''Damit erfolgt in den Morgenstunden des 9. in den Niederungen der Alpennordseite eine Winddrehung auf West bis Südwest, in Genf zwischen 4 und 7 h.<br/>
'''Dabei ging die Temperatur ziemlich gleichmäßig um etwa 6° in der Höhe (Säntis 2500 m) zurück.<br/>
'''Um eben diese Zeit beginnen in der Westschweiz die Niederschläge, begleitet von Gewitterstörungen.<br/>
'''Die Station Säntis registrierte dauernd bis in den Nachtag (2. Juli) hinein Winde zwischen W und NW, wobei die größte Windstärke in die Zeit des Druckanstiegs am Boden (15 bis 24 h des 1. Juli) entfällt.<br/>
'''Sie sind also auf den Einbruch der Kaltluft von Westen her zurückzuführen, wobei die Front rückläufig wird, wie der allmähliche Temperaturrückgang auf den westschweizerischen  Stationen beweist.<br/>
'''Auch die östlichen Stationen (Zürich, Säntis) zeigen einen Temperaturrückgang vom 9. zum 10. Juni 7 h.<br/>
'''Er beträgt etwa 4°. Der Temperaturverlauf am 9. zeigt ein mittägliches Maximum, welches durch die Einstrahlung bedingt ist.<br/>
'''Der Säntiswind drehte im Laufe des Vormittags des 9. von Ost über Süd nach West.<br/>


'''Danach wird also die Nordwestströmung durch die Alpen mehr oder weniger in die Westostrichtung umgelenkt. Die Kaltluft bricht hier aus W bis NW unter die warme Höhenströmung ein und verdrängt dieselbe.<br/>
'''Der Vergleich des «Temps»  von Payerne vom 8. und 9. um 14 h zeigt die Abkühlung und Winddrehung von Ost nach West bis in 4000 m Höhe. Am 10. Juni liegt das Höhentief über der mittleren Adria.<br/>
'''Am Morgen des 2. liegt das Höhentief etwa über Venedig und ebendaselbst am Boden ein Ausläufer der Balkandepression.<br/>
'''Das Niederschlagsgebiet erstreckt sich nun als breites Band von den Alpen über Westdeutschland nordwärts bis an die norddeutsche Küste,<br/>
'''Trotzdem wehten die Winde auf der Alpennordseite noch aus W bis NW. München registrierte am 2. um 3 h in 1500 m Höhe NW, in 5800 m Höhe noch SW.<br/>
'''dann ostwärts der hier nordwärts vorstoßenden Warmluft entlang bis in die Ostsee. Im Laufe des 10. Juni fanden keine nennenswerten Temperaturänderungen mehr statt.<br/>
'''Die «Temps» von Payerne vom 1. und 2. Juli um 3 h zeigen, daß eine Abkühlung nur bis in etwa 3500 m Höhe erfolgt war.<br/>
'''Die Höhenwetterkarte läßt leider zu wenig Einzelheiten dieser Strömungs- und Luftschichtungsverhältnisse erkennen.<br/>
'''Immerhin sei bemerkt, daß sich das westdeutsche Niederschlagsgebiet, das sich langsam nach Osten verschoben hatte, ungefähr mit dem Höhentrog (Richtung Nord-Süd)  deckte.<br/>
Quelle: M. Grütter<br/>
Quelle: M. Grütter<br/>



Aktuelle Version vom 15. März 2020, 10:51 Uhr

Quick Facts

Type of Event Flood
Verification State QC1
ESWD Not reported
Location Kanton Neuenburg, Kanton Waadt
Time / Duration 24 hours
Date 09.06.1953
Magnitude / Dimension >100mm of rain in 24 hours
Damage -
Fatalities -
Injuries -
Report Source chronicles, general archive
Remarks -

Ereignis


Quelle: Die Tat, 12. Juni 1953

Bemerkenswert sind vor allem die Niederschläge, die am 9. und 10. Juni 1953 vorwiegend in der Westschweiz gefallen sind.
Am 9. Juni übersteigen dieselben in einem Gebiet, das den Jura und das Waadtland westlich der Linie St.Ursanne, Neuchatel, Estavayer, Echallens, Vevey umfaßt den Betrag von 50 mm.
Im Jura sind vereinzelt sogar 100 mm erreicht worden. Die übrige Schweiz östlich der Linie Leysin, Jaun, Murten, Delemont hat meist weniger als 20 mm aufzuweisen.

Diese Niederschläge sind auf folgende Situation zurückzuführen:
Die Wetterkarte vom 9. Juni 01 h zeigt eine Depression über den Alpen mit einem ersten Druckminimum bei Nizza und einem zweiten nordöstlich des Bodensees.
Auf der Ostseite fließt tropische Warmluft vom Mittelmeerraum her nordwestwärts. Die Warmfront verläuft etwas über Warschau, Berlin, Köln, Dijon, Nizza.
Sie erzeugt ein ausgedehntes Niederschlagsgebiet über dem südlichen Frankreich,
wo am Boden Kaltluft aus dem Norden des Kontinents in starkem Strom südwärts fließt, während die Schweiz bei vorwiegend östlichen bis nördlichen Winden noch im Warmluftgebiet liegt.

Die Luft ist hier etwa 5° wärmer als in der Kaltluft. In der Höhe herrscht am 9. Juni über den Alpen eine kräftige Ostströmung, das Höhentief (500-Millibar-Fläche) liegt über dem Golf von Genua.
Die ganze Depression verlagert sich langsam nordwärts, indem das südliche Tief sich ausfüllt und das nördliche (das am 9. Juni 13 h bei Regensburg liegt) sich vertieft.
Damit erfolgt in den Morgenstunden des 9. in den Niederungen der Alpennordseite eine Winddrehung auf West bis Südwest, in Genf zwischen 4 und 7 h.
Um eben diese Zeit beginnen in der Westschweiz die Niederschläge, begleitet von Gewitterstörungen.
Sie sind also auf den Einbruch der Kaltluft von Westen her zurückzuführen, wobei die Front rückläufig wird, wie der allmähliche Temperaturrückgang auf den westschweizerischen Stationen beweist.
Auch die östlichen Stationen (Zürich, Säntis) zeigen einen Temperaturrückgang vom 9. zum 10. Juni 7 h.
Er beträgt etwa 4°. Der Temperaturverlauf am 9. zeigt ein mittägliches Maximum, welches durch die Einstrahlung bedingt ist.
Der Säntiswind drehte im Laufe des Vormittags des 9. von Ost über Süd nach West.

Der Vergleich des «Temps» von Payerne vom 8. und 9. um 14 h zeigt die Abkühlung und Winddrehung von Ost nach West bis in 4000 m Höhe. Am 10. Juni liegt das Höhentief über der mittleren Adria.
Das Niederschlagsgebiet erstreckt sich nun als breites Band von den Alpen über Westdeutschland nordwärts bis an die norddeutsche Küste,
dann ostwärts der hier nordwärts vorstoßenden Warmluft entlang bis in die Ostsee. Im Laufe des 10. Juni fanden keine nennenswerten Temperaturänderungen mehr statt.
Quelle: M. Grütter

Messdaten

Übersicht Regenmengen >70mm vom 09.06.1953

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