20150607 01 Tornado Brot-Plamboz NE

Aus Schweizer Sturmarchiv
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Tags: tornade, tornado, trombe, tromba, tourbillon, tuba, funnelcloud, ouragan, windhose, wirbelwind, Brot-Plamboz, Brot-Dessus, Les Ponts-de-Martel, Les Petits-Ponts, Vallée de la Sagne, Jura, Neuchâtel

Quick Facts

Type of Event Tornado (type "Needle")
Verification State QC1
ESWD Not reported
Location Near Brot-Dessus, in the municipality of Brot-Plamboz (NE) at an elevation of 1'012 m
Time 13.40 - 13.42 UTC
Duration Touchdown lasted only seconds to minutes
Date 07.06.2015
Path direction Mainly West to East
Path length / width Length: 0.5 - 1.5 km (rough estimation) / width: 10 m at some point (estimation from eyewitness report)
Magnitude T1 / F0
Damage
  • Roof damage (T1 / F0)
  • Minor damage to crop and grasslands (not rated)
Fatalities -
Injuries -
Eyewitnesses At least four different eyewitness parties were able to observe the tornado as it touched the ground (three of them shot Videos, of which two are shown below)
Report Source News reports, photos/videos of the incident, eyewitness report
Remarks Historical first: Two videos of this event are very unique as they represent the first moving pictures of a tornado touching down in Switzerland (waterspouts excluded)!

Einleitung

Eine starke Gewitterzelle zog am Nachmittag des 7. Juni 2015 von Frankreich her kommend in den Schweizer Jura und produzierte kurz nach 15.40 Uhr MESZ bei Brot-Plamboz (NE) einen kurzlebigen, schwachen Tornado.

Der Ort des Geschehens liegt im Neuenburger Hochjura (roter Kreis = Tornado touchdown) ..

© search.ch, TomTom, swisstopo, osm


.. im "Vallée de la Sagne", auch bekannt als "Vallée des Ponts" (rotes Oval = Tornado touchdown).

© search.ch, TomTom, swisstopo, osm


Das spektakuläre Wetterphänomen konnte nicht nur fotografiert, sondern gar gefilmt werden. Zwei dieser Videodokumente sind eine kleine Sensation und dürfen als historisch betrachtet werden. Sie zeigen erstmalig (und bis jetzt einmalig) den Touchdown eines Tornados in der Schweiz (Wasserhosen ausgenommen). Damit wurde am 7. Juni 2015 ein Stück Schweizer Tornado-Geschichte geschrieben!

Fotos

In diesem Kapitel haben wir alle uns bekannten Fotos des Tornados zusammengetragen.

Vorab aber noch zwei Video-Standbilder, auf welchen die Bodenberührung des Tornados zu erkennen ist. Ein Novum für die Schweiz!

© Lydia Du Buisson


© Youtube User "Perce-Neige SPS"


Die zugehörigen Videos können im folgenden Kapitel betrachtet werden.

Zahlreiche Augenzeugen lieferten Fotos des Tornadorüssels.

So zum Beispiel Xavier Dumont, welcher um 15.41 Uhr MESZ von La Sagne (NE) aus folgenden Schnappschuss festhalten konnte:

© Xavier Dumont / Quelle: Arcinfo.ch / Originalbild


Gegenüber dem Westschweizer Medienportal Arcinfo.ch erklärte der Fotograf:

"Ça n'a duré qu'une minute", a confié Xavier Dumont, l'auteur du cliché, pris à La Sagne cet après-midi. La tornade n'a pas occasionné de dégâts "mais c'était spectaculaire. Je n'avais encore jamais vu ça dans la vallée où j'habite depuis l'enfance", a t-il confié.

Anmerkung der Redaktion: Der Tornado hat in der Tat Schäden verursacht, was dem Fotografen zu dem Zeitpunkt aber nicht bewusst war, siehe auch Kapitel "Schauplatz / Schäden".

Dem Sturmarchiv Schweiz stellte Xavier Dumont exklusiv folgende weitere Aufnahmen zur Verfügung:


Ebenfalls von La Sagne (NE) aus schoss Christine Benoit Gyger um 15.42 Uhr MESZ folgende drei Bilder:

© Christine Benoit Gyger / Quelle: Facebook


© Christine Benoit Gyger / Quelle: Facebook


© Christine Benoit Gyger / Quelle: Facebook


Ein weiteres Foto - auch dieses aufgenommen von La Sagne (NE) aus:

© Massimo Cassi / Quelle: RSI


Ein Leserreporter von RTN hat den Wolkenschlauch vom erhöhten Sommartel (nahe La Sagne (NE)) aus fotografiert:

© Leserreporter von RTN


Auch ein Leserreporter von 20 Minutes drückte zum richtigen Zeitpunkt auf den Auslöser:

© Leserreporter von 20 minutes


Und noch ein schönes Foto von Brot-Plamboz (NE) aus - die Bodenberührung ist zu erahnen:

© Célien Currit / Quelle: MétéoFoudre


Stéphane Botteron aus Ponts-de-Martel (NE) hat gefilmt und fotografiert - hier sein Foto (Video im folgenden Kapitel):

© Stéphane Botteron / Quelle: MétéoFoudre


Sturmjäger Nicolas Gascard erwischte den Tornado bzw. seine Funnelcloud ebenfalls:

© Nicolas Gascard / Quelle: Facebook


Selbst die Roundshot-Kamera auf dem Tête de Ran konnte den Tornado einfangen:

Quelle: Roundshot Tête de Ran



Videos

Wie bereits eingangs dieser Ereignisseite erwähnt, sind nachfolgende Videoclips (Video #1 und Video #2) historischer Natur. Sie zeigen erstmalig (und bis jetzt einmalig) den Touchdown eines Tornados in der Schweiz (Wasserhosen ausgenommen).

Beide wurden von Ponts-de-Martel (NE) aus aufgenommen, vermutlich kurz nach 15.40 Uhr MESZ, als der Tornado den Boden berührte.

Video #1 von Lydia Du Buisson:

Video #2 von Youtube User "Perce-Neige SPS" (ohne Ton):



Zwei weitere Videoclips zeigen den Tornado bzw. dessen Funnelcloud ohne sichtbare Bodenberührung.

Das erste Video wurde anonym auf arcinfo.ch hochgeladen. (Achtung, das angegebene Datum in der Youtube-Beschreibung ist falsch!):



Das zweite wurde direkt vom Urheber Stéphane Botteron aus Ponts-de-Martel (NE) auf Youtube hochgeladen:


Video-Link Facebook (gleiches Video)

Schauplatz / Schäden

Der Schauplatz liegt im rund 1000 m über Meer gelegenen "Vallée de La Sagne", einem SW->NO ausgerichteten flachen Tal im Hochjura, auch bekannt unter dem Namen "Vallée des Ponts". Im Südwesten ist das Tal breit, im Nordosten läuft es spitz zu. Auf der folgenden Karte ist der Ort, wo der Tornado durchgezogen ist, mit einem roten Oval markiert.

© Google


Das nächste Bild zeigt die Szenerie aus der Vogelperspektive (Blickrichtung NNO). Anhand der Aussage eines Zeugen, der veröffentlichten Foto- und Videoaufnahmen sowie der bekannten Schäden konnte der ungefähre Verlauf der Tornadospur rekonstruiert werden. Demnach berührte der Tornado den Boden erstmals etwa in der Mitte des Tales zwischen den Weilern Martel-Dernier und Brot-Dessus. Von dort zog der Wirbelsturm nur wenige hundert Meter südlich des Naturschutzgebiets "Bois des Lattes" (dem grössten Hochmoor der Schweiz) durch Wiesen und Weiden Richtung Osten. Doch schon nach kurzer Zeit begann der Vortex zu schwächeln ("rope-out"). An der Hauptstrasse nach Les Petits-Ponts (NE) beschädigte er noch das Dach eines Bauernhofes, bevor er sich nach gerade mal einer geschätzten Minute Lebenszeit in der Nähe des Waldes östlich von Brot-Plamboz (NE) auflöste.

© SWISSVIEW


Untenstehender Bildvergleich (Webcambild vs. Videostandbild) bestätigt die Aussage eines Augenzeugen, wonach der Tornado bei "Les Bieds" Bodenkontakt hatte:

Quellen: Webcam von Les Ponts-de-Martel / Youtube / Google Maps


Glücklicherweise lag die ca. 1 km +/- 500 m lange Zugbahn des Wirbelsturms mehrheitlich weder auf bewohntem noch auf bewaldetem Gebiet. So blieb es beim erwähnten Schaden an einem Dach.

Das betroffene Gebäude liegt zwischen den Ortschaften Brot-Dessus (NE) und Les Petits-Ponts (NE):

© Google


Das Dach vorher..

© Google Street View


..und nachher:

© Ralph Grobe


Ein kurzes Schadensvideo von Ralph Grobe:


Ersatzlink Schadensvideo (Facebook)

Die Schäden am Dach lassen auf schweren Sturm (Beaufort 10, Windgeschwindigkeiten bis ca. 100 km/h) schliessen. Dies entspricht auf der kombinierten TORRO-/Fujita-Skala der Tornadostärke T1 / F0 (= schwach). Zum Zeitpunkt, als der Tornado über das Haus fegte, befand sich dieser glücklicherweise bereits im Auflösestadium. Die Windgeschwindigkeiten dürften deshalb grösser gewesen sein, als er noch über Wies- und Weideland wütete.

Hier ein imaginäres Abbild des Tornados, kurz bevor er das Bauernhaus erreichte:

© Sturmarchiv Schweiz / Google



Meteorologische Ereignisanalyse

Grossräumige Wetterlage am 7. Juni 2015 um die Mittagszeit:

Abb. 1 - Quelle: FU Berlin/DWD


Am 7. Juni 2015 verlief die langgestreckte Kaltfront des Tiefs "Lothar" über Süddeutschland hinweg bis nach Frankreich. Die Front selber war nicht besonders wetteraktiv, allerdings lagerte südlich von ihr (also über unseren Köpfen) eine feuchtwarme und zu Gewittern neigende Luftmasse, welche vorerst aber noch gedeckelt war. Eine solche Wetterlage, bei welcher konvektive Entwicklungen weitestgehend in Schach gehalten werden, nennt man eine "Loaded Gun" (geladene Pistole). Sie ist dafür bekannt, besonders heftige Gewitter oder gar Unwetter hervorzurufen. In der aerologischen Mittagssondierung von Payerne (VD) ist dieses gefährliche Setting - für Personen mit meteorologischen Kenntnissen - auf den ersten Blick erkennbar:

Abb. 2 - Quelle: Atmospheric Soundings


Ein paar berechnete bzw. gemessene Werte aus dem Sondenaufstieg belegen den explosiven Cocktail in der Atmosphäre:

  • Lifted Index (LI) um - 4° (= mässig labile Luftmasse)
  • CAPE von > 1200 J/kg (= grosse Auftriebsenergie)
  • CINH von 54 J/kg (= Atmosphäre leicht gedeckelt, d.h. gehemmte Konvektion, besonders zu Beginn)

In dieser gewitterträchtigen Luft entwickelten sich um die Mittagszeit im französischen Hochjura orographisch unterstützt die ersten Gewitter des Tages. Die einzelnen Zellen bildeten rasch eine Kette, welche rund zwei Stunden lang aktiv und dabei quasistationär blieb (Multizellengewitter).

Abb. 3 - © Kachelmannwetter


Gegen 14 Uhr MESZ begann das Gewittersystem insgesamt zu schwächeln. Gleichzeitig verstärkte sich aber an dessen Nordende ein einzelnes Gewitter, welches sich später zum Tornado-Schöpfer mausern sollte.

Abb. 4 - © Kachelmannwetter


Bereits nach kurzer Zeit prasselten über dem französischen Pontarlier 5 cm grosse Hagelsteine vom Himmel (Quelle: Facebook). Danach bewegte sich das Starkgewitter mit rund 80° Abweichung zur Höhenströmung der Schweizer Grenze entlang Richtung La Chaux-de-Fonds (NE). Dieses nach rechts Ausscheren ist zusammen mit dem beobachteten Hagel ein starkes Indiz dafür, dass die Zelle um ihre eigene Achse rotierte und somit zumindest ansatzweise superzellular war.

Hagelmeldung auf Facebook:

Abb. 5 - Quelle: Facebook



Auf der Blitzkarte (Abb. 3) wie auch auf der Niederschlagskarte (Abb. 4) ist die Spur der ausscherenden Zelle gut zu erkennen:

Abb. 6 - Quelle: Lightningmaps.org


Abb. 7 - Quelle: MeteoSuisse


Vermutlich aufgrund unauffälliger Scherwerte in den Vorhersagekarten (~ 20 Knoten auf 500 hpa, ~ 10 Knoten auf 300 hpa), war das Augenmerk unter (Hobby-)Meteorologen an jenem Tag primär nicht auf rotierende Gewitterzellen gerichtet und so überraschte die Entwicklung der Superzelle im Hochjura wohl manch einen. Schaut man im Nachhinein betrachtet aber etwas genauer hin, hält sich die Verwunderung in Grenzen, ja sie verschwindet sogar.

Die Mittags-Sondierung von Payerne liefert einmal mehr wichtige Erkenntnisse.

In der Tat war die Geschwindigkeitsscherung an jenem Sonntag alles andere als geeignet für Superzellen. Die Richtungsscherung in den bodennahen Schichten (0-3 km) hingegen war bemerkenswert. Auf 950 hpa beginnend drehte der Wind von Nord, über Nordost und Ost, weiter auf Südost und schliesslich auf 700 hpa auf Süd. Dieses sogenannte "Veering" (rechtsdrehender Wind) von beinahe 180° ist nebst dem Effekt der Warmluftadvektion auch eine wichtige Voraussetzung für starke, rotierende Aufwinde. Interessanterweise sagten die Wettermodelle für die untersten 2 km (bis in eine Höhe von ca. 800 hpa) keine oder lediglich marginale Richtungsscherung voraus. Es wurde praktisch durchgehend mit NNO-Wind gerechnet.

Abgesehen von der Richtungsänderung ist auch die Stärke des Windes von entscheidender Bedeutung. Aus der Theorie wissen wir, dass Superzellen am ehesten dann einen Tornado produzieren, wenn ein starker Low Level Jet (LLJ) weht. Je tiefer dessen Position ist, also je näher zum Boden, umso besser. In der Schweiz hat er sein Maximum in der Regel auf 700 hpa. Der von den Wettermodellen prognostizierte LLJ sollte lediglich mit 10 Knoten wehen. Aber auch hier war die Situation schliesslich geeigneter als prognostiziert. Denn der in Payerne gestartete Wetterballon flog bereits auf einer Höhe von 950 hpa in ein Windmaximum von mindestens 15 Knoten.

Es ist kein Geheimnis, dass die hügelige Landschaft der Jurakette einen entscheidenden Einfluss auf die Windströmungen in Bodennähe (0 - 1 km) hat und insbesondere der Low Level Jet beim Umströmen bzw. Überströmen der Hügel lokal Scherungen verstärken oder abschwächen kann. Es darf daher spekuliert werden, dass die Scherwerte im "Vallée de La Sagne" vermutlich sogar noch einen Tick optimaler waren als über dem westlichen Mittelland (Payerne). Auch die für die Wirbelhaftigkeit im Inflowbereich stehende Storm Relative Helicity (SRH) dürfte lokal erhöht gewesen sein, obwohl sie in der Sondierung von Payerne einen eher tiefen, unauffälligen Wert besass (max. 3 km SRH von ungefähr 95 m2/s2).

Der Jura hat aber nicht nur den Effekt der Windmodifikation, sondern auch den Vorteil einer im Vergleich zum Mittelland generell niedrigeren Wolkenbasis. Die Wolkenuntergrenze im Hochjura dürfte daher tiefer gelegen haben als die direkt über Payerne gemessene Höhe von ca. 1600 m. Tiefliegende Wolken (z.B. eine tiefliegende Wallcloud) sind ein entscheidender Faktor bei der Bildung eines Tornados.

Wie folgt das sogenannte Skew-t-Plot (Vertikalprofil) von Meteoschweiz:


Abb. 8 - © Sturmarchiv Schweiz / Meteoschweiz

Die Bedingungen für die Entwicklung von Superzellen und Tornados waren also günstig. Die in solchen Fällen oft zu Rate gezogenen Superzellenparameter schlugen aufgrund der gemessenen Werte denn auch alle an:

  • Supercell Composite Parameter (SCP) von 3.4 (= Superzellen möglich bis wahrscheinlich)
  • Experimental Supercell Index for Switzerland (SIS) von 2.85 (= Superzellen sehr wahrscheinlich)
  • Bulk Richardson Number (BRN) zwischen 35 und 40 (= Bedingungen günstig für Superzellen)

Nachfolgend eine Vertikalprofil-Variante von Bernhard Oker, angereichert mit zahlreichen (Un)Wetterparametern:


Abb. 9 - © Bernhard Oker

Legen wir nun den Fokus auf die Zeit, als der Tornado entstand (die Stelle des Touchdowns ist jeweils mittels Stern respektive Kreis markiert).

15.40 Uhr MESZ - ungefährer Zeitpunkt der Tornadogeburt:

Abb. 10 - © Donnerradar Archiv


Etwar näher herangezoomt ein anderes Radarbild zur gleichen Zeit:

Abb. 11 - © Zoomradar / Meteoradar


15.45 Uhr MESZ - der Tornado hat sich zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits wieder aufgelöst:

Abb. 12 - © Donnerradar Archiv


Auf dem letzten Radarbild ist zu erkennen, dass die für den Tornado verantwortliche Superzelle an ihrem Südostrand eine scharf abgegrenzte Niederschlagssignatur in Form einer Sichel (sog. Inflow Notch) aufweist.

Nachfolgend ein gezoomter Ausschnitt:

Abb. 13 - © Donnerradar Archiv


Noch deutlicher ist dieser Inflow Notch bzw. das zugehörige Hakenecho auf den Radarbildern von Kachelmannwetter.com ersichtlich (Zeitpunkt: 15.45 Uhr MESZ, Stern markiert den Tornado-Touchdown wenige Minuten zuvor):

Abb. 14 - © Kachelmannwetter.com


Niederschlagsbild mit überlagerten Blitzeinschlägen und eingezeichnetem Haken:

Abb. 15 - © Kachelmannwetter.com


Tornadogenese
Dieses Hakenecho deutet auf eine vorhandene Low Level Rotation unter Einbezug des sogenannten Rear Flank Downdrafts (RFD) hin. Eine solche ist für die Entwicklung eines Tornados von grosser Bedeutung. Folgende Grafik veranschaulicht die Position des RFD, welche durch den Niederschlag im Hintergrund sichtbar wird. Dieser im Radarbild als Haken sichtbare Abwind reisst die Low Level Rotation unterhalb der Mesozyklone auf Bodennähe hinunter und initiiert damit die Geburt des Tornadovortexes.

Abb. 16 - © Sturmarchiv Schweiz (Videostandbild © Youtube User "Perce-Neige SPS")


Hier zum direkten Vergleich nochmal das zugrunde liegende Standbild aus dem Video:

© Youtube User "Perce-Neige SPS"


Eine Webcam in Ponts-de-Martel (NE) war genau auf den interessanten Talabschnitt ausgerichtet. Leider wurden die Bilder aufgrund der Lichtverhältnisse just zum Zeitpunkt des Tornados überbelichtet. Dennoch möchten wir euch eine Animation der Bilder nicht vorenthalten, weil sie zumindest ansatzweise die Wolkendynamik kurz vor der Tornadogenese zeigen:

Klicken Sie auf diesen Link oder auf das Bild um zur Animation zu gelangen


Zugbahn
Wie bereits weiter oben im Kapitel "Schauplatz / Schäden" erwähnt, führte der Weg des Tornados rund 1 Kilometer in östliche Richtung, ehe er nach einer guten Minute wieder zerfiel. In dieser Zeit erreichte er mindestens die Stärke T1 / F0.

Auflösung
Studiert man die vom Ereignis vorhandenen Foto- und Videoaufnahmen, so stellt man fest, dass sich der Tornado bei seiner Auflösung auf die Seite neigte. Dabei blieb der obere Teil etwas westlich zurück, währenddem sich der untere Teil weiter östlich in einer schlängelnden Bewegung aufzulösen begann ("rope-out"). Die kurze Lebenszeit von gerade mal einer Minute wirft natürlich die Frage auf, was die Gründe für das schnelle Ableben der Trombe gewesen sein könnten. Zumal die Gewitterzelle selbst bzw. deren Mesozyklone zu diesem Zeitpunkt noch keine eindeutigen Zeichen von Schwäche zeigten.

Zwei mögliche Gründe, welche auch in Kombination für die kurze Lebensdauer geführt haben könnten:

  • Die Zugbahn des Tornados war ziemlich genau W->O. Die Zugbahn seiner Mutterwolke (Mesozyklone) hingegen hatte eine leicht nördlichere Komponente (WSW->ONO).
  • Die Scherung im bodennahen Bereich (LLS) war stark, die Scherung in der Höhe (DLS) hingegen schwach. Dies kann zu kurzlebigen Tornados führen.

Zum Abschluss der Analyse noch zwei interessante Animationen. Als Erstes die Radarbildanimation von Meteoradar, welche anschaulich die Geburt und das Pulsieren der ersten Gewitterzellen, sowie die Bildung und das nach rechts Ausscheren der Superzelle dokumentiert. Die Sequenz dauert über den gesamten Tag, wobei der zum Teil chaotische Verlauf der Gewitterbildung nachvollzogen werden kann (Starten der Animation durch Klick auf das Vorschaubild):

Abb. 17 - Quelle: Donnerradar 3D


Als Zweites die Satellitenbildanimation von SAT24:


Berichterstattung in den Medien

Folgende Medienirrtümer möchten wir aufklären:

  • Im Artikel von 20min.ch steht geschrieben, der Tornado hätte in oder bei Neuenburg gewirbelt. Dies ist natürlich falsch. Brot-Plamboz ist 15 km von Neuenburg entfernt.
  • In einem Artikel von Arcinfo.ch ist von mehreren Tornados die Rede. Als Grund dafür wird ein Leserreporter zitiert, wonach die Uhrzeiten von verschiedenen Sichtungen nicht übereinstimmen würden. Diese Information konnte nicht verifiziert werden. Die im Artikel erwähnte Uhrzeit von 17.42 Uhr MESZ ist höchstwahrscheinlich auf eine Verwechslung von UTC und MESZ zurückzuführen. Die richtige Uhrzeit lautet 15.42 Uhr MESZ (bzw. 13.42 Uhr UTC).
  • "Mini-Tornados" gibt es nicht. Ein Tornado hier in der Schweiz ist aus demselben Holz geschnitzt wie ein Tornado in den USA! Auch sind Tornados hierzulande nicht generell schwächer. "Mini-Tornados" sind eine Erfindung der Medien.
  • Im selben Artikel wird der Augenzeuge zitiert, dass es keine Schäden gegeben hätte. Dies ist eindeutig falsch.
  • In der Beschreibung des einen Youtube-Videos steht, dass das Video am Sonntag, 9. Juni gegen 17.40 Uhr MESZ aufgenommen worden sei. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Fehlinformation. Erstens ist das Datum offensichtlich falsch und zweitens bezieht sich die Angabe der Uhrzeit auf den oben erwähnten Artikel auf Arcinfo.ch, in welchem die Uhrzeiten durcheinander gebracht wurden.

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