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| ==Ereignis== | | ==Ereignis== |
| ''Auszug aus dem "Thuner Tagblatt" vom 08.07.1983''<br/><br/>
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| '''"Ein solches Gewitter habe ich noch nie erlebt"'''<br/>
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| In der Mittwochnacht heulten in Reutigen die Feuerwehrsirenen:<br/>
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| Ein schweres Gewitter in den Abendstunden liess die Bäche des Dorfes über die Ufer treten, Keller, Kulturland und Strassen wurden überschwemmt oder von meterhohem Geschiebe verschüttet.<br/>
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| Der 80-jährige Reutiger Herrmann Liechti zum TT:<br/>
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| '''"Ich wohne seit meiner Jugend hier - aber so ein Gewitter habe ich noch nie erlebt."'''
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| Stunden, bevor über Reutigen heftiger Regen und Hagelschlag niederging,<br/>
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| braute sich über der Günzenen und dem Längenberg eine aussergewöhnliche Wettersituation zusammen:<br/>
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| Die Gewitterwolken blieben über dem Dorf hängen und entluden sich nach 20 Uhr mit voller Wucht.<br/>
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| Dann ging alles blitzschnell: Die Männer der Feuerwehr Reutigen und der Betriebsfeuerwehr der Pulverfabrik Wimmis eilten zu den gefährdeten Stellen,<br/>
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| wo der "Chratzhaltengraben" und der "Plachtigraben" die Hauptstrasse überqueren.<br/>
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| Die Naturgewalten machten indessen die Anstrengungen der Männer zum Teil zunichte: Innert weniger Minuten verstopften Holz und Steine im oberen Dorfteil das Bachbett des Chratzhaltengrabens, das aufgestaute Geschiebe und Geröll riss über dem Dorf eine Brücke weg,<br/>
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| verschüttete mit Tonnen von schlammigem Dreck die Hauptstrasse bei den beiden Brücken und Fluten verwüsteten Keller und Kulturland im Oberdorf.<br/><br/>
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| '''Lichter gingen aus'''<br/>
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| Die Dorfkäserei und deren Käsekeller stand bis zu zwei Metern unter Wasser, gegen neunzig der sorgfältig gehegten Laibe schwammen in der braunen Brühe.<br/>
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| Zahlreiche Garagen und Keller pumpten die Feuerwehrleute in pausenlosem Einsatz aus.<br/>
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| Eine weitere Erschwernis für die rund einhundert eingesetzten Helfer:<br/>
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| Von 21.30 Uhr bis nach Mitternacht gingen in Reutigen die Lichter aus, weil im Hani ein umstürzender Baum die Stromleitung unterbrochen hatte.<br/>
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| Spontane Hilfe leisteten zudem die Wehrmänner einer in Reutigen stationierten Panzerabwehr-WK-Einheit, die zum Teil im Ausgangstenue Pickel und Schaufel schwangen.<br/><br/>
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| '''Gegen 100 Mann im Einsatz'''<br/>
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| Feuerwehr-Vizekommandant Klaus Baur zum TT: "Alle verfügbaren Männer waren im Einsatz, wir haben alles versucht, um die Wassermassen unter Kontrolle zu kriegen.<br/>
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| Das war das schlimmste Gewitter seit vierzig Jahren!".<br/>
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| Und Fritz Beck, der ein Haus bei der Chratzhaltengraben-Brücke an der Hauptstrasse bewohnt, konnte nur noch einige Bretter zum Schutz der Garagen hinstellen:<br/>
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| Das Geschiebe des wildgewordenen Baches verschüttete die Strasse vor seiner Haustüre,<br/>
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| die Fluten strömten am Haus vorbei, überfluteten Keller und Garage und setzten Kulturland unter Wasser.<br/><br/>
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| '''Zwei Stunden langes Inferno'''<br/>
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| Zwei Stunden lang peitschten sintflutartige Regenfälle, begleitet von Hagelschlag, auf das Dorf im Stockental.<br/>
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| Dabei beobachtete Werner Thönen ein faszinierendes Wetterphänomen:<br/>
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| '''"Nur wenige Zentimeter über dem Boden entluden sich grelle Blitze und bildeten grosse, helle Feuerbälle.<br/> Das Spektakel war erst nach 22 Uhr vorbei."'''
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| Die ganze Nacht über waren Wachtmannschaften der Feuerwehr auf Pikett.<br/>
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| Am Donnerstagmorgen um 5 Uhr besprach der Krisenstab der Gemeinde den Fortgang der Aufräum- und Bergungsarbeiten.<br/><br/>
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| '''Schaden in Millionenhöhe'''<br/>
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| Den Aufräumungsmannschaften bot sich gestern im Morgengrauen ein düsteres Bild:<br/>
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| Oberhalb des Dorfes, wo der Plachtigraben über die Ufer getreten war, lagen ganze Baumstämme, Baumstrünke, Steine, Geröll und sandiger Schlamm auf den Kulturfeldern.<br/>
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| ''"Der Schaden ist noch nicht abzuschätzen, doch dürften es Millionen sein"'', meinte Amtsverweser Armin Baur zum TT.<br/>
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| ''"Ich werde versuchen, für die Räumung der Felder Militär zu bekommen"'', fuhr er fort.<br/><br/>
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| Die tobenden Wassermassen rissen auch den Teerbelag des Grodweges oberhalb des Dorfes auf.<br/>
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| Viele Keller, Garagen und Ställe des Oberdorfes pumpten gestern morgen die Helfer aus dem ganzen Dorf aus.<br/>
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| Deprimierte Frauen standen vor ihren liebevoll gepflegten Blumen- und Gemüsegärten, wo das Gemüse und die Blumen vom heftigen Hagelschlag und den Wassermassen vernichtet wurden.<br/>
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| Die Feuerwehr und das Militär kratzten den zähen Schlamm von den Strassen und Plätzen.<br/>
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| An der Dorfgrenze zu Niederstocken, wo der Chratzhaltengraben am Vorabend über die Ufer getreten war und die ganze Strasse verschüttet hatte,<br/>
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| standen ein Bulldozer und ein Bagger im Einsatz; sie trugen den meterhohen Geröllwall ab.<br/>
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| Lastwagen brachten das Geröll pausenlos in die Kiesgrube Reutigen.<br/><br/>
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| '''"Machtlos vor Naturgewalten"'''<br/>
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| Unmittelbar neben dem Chratzhaltengraben wohnt Margaretha Thönen, deren Haus im untern Teil unter Wasser steht.<br/>
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| Sie verfolgte die Räumungsarbeiten und meinte traurig zum TT:<br/>
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| '''"Ich wohne seit 53 Jahren hier in Reutigen und bin an schwere Gewitter gewöhnt,<br/> doch ein solch heftiges Unwetter wie gestern Abend habe ich noch nie erlebt.<br/> Alles ging so schnell. Gegen solche Naturkräfte sind wir Menschen machtlos."'''
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| '''Käsekeller unter Wasser'''<br/>
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| Arg in Mitleidenschaft wurde die Dorfkäserei gezogen.<br/>
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| Die Käsekeller standen am Abend zuvor bis gegen zwei Meter unter Wasser.<br/>
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| Gegen neunzig Greyerzer Käselaibe schwammen im schlammigen Wasser.<br/>
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| ''"Ob diese Laibe noch verkauft werden können, steht noch nicht fest"'', sagte Käsereigenossenschafts-Sekretär Rudolf Straubhaar zum TT.<br/>
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| ''"Eventuell können die Greyerzer Käse noch zu Weichkäse verarbeitet werden"'', bemerkte Käsereimeister Ulrich Schneider.<br/>
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| Gegen Mittag haben die starken Männerhände den grössten Schlammbelag von der Strasse abgetragen.<br/>
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| Hinten beim Chratzhaltengraben hat sich der Bulldozer durch die Gesteinsmassen "durchgefressen".<br/>
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| Über die erstellte Notbrücke kann der Durchgangsverkehr durchs Stockental nun wieder aufgenommen werden.<br/>
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| Doch die Aufräumungsarbeiten gehen im ganzen Oberdorf weiter.<br/>
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| ''"Bis alles wieder einigermassen instandgestellt ist wird es noch Wochen dauern"'',<br/>
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| hält Feuerwehr-Vizekommandant Klaus Baur gegenüber dem TT fest.<br/><br/>
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| '''Teure Verbauungen'''<br/>
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| Die Reutiger sind sich wohl über die Kraft des Plachtigrabens und des Chratzhaltengrabens bei Gewittern bewusst.<br/>
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| Die Schwellengemeinde Reutigen hat denn auch in den letzten Jahren viel Geld für die Verbauung der beiden Bäche ausgegeben.<br/>
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| Erst am vergangenen Montag hat die Schwellengemeinde einen Kredit von 850'000 Franken für die weitere Verbauung des Plachtigrabens gesprochen.<br/>
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| ''"Solch grosse Geldbeträge sind jedoch auf die Dauer für die Schwellengemeinde Reutigen untragbar"'',<br/>
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| äusserte sich gestern Amtsverweser Armin Baur besorgt zum TT.<br/>
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| Quelle: [http://www.reutigen.ch/Gemeinde/allg.%20Angaben/Unwetter/Zeitungsausschnitte.htm#Auszug%20aus%20dem%20%22Thuner%20Tagblatt%22%20vom%2008.07.1983 "Ein solches Gewitter habe ich noch nie erlebt"]<br/>
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| ==Zeitungsartikel== | | ==Zeitungsartikel== |