Unwetterforschung Schweiz
Einführung
Auf dieser Seite befassen wir uns mit der Klimatologie von Unwetterereignissen in der Schweiz. Hier finden Sie nebst Erkenntnissen, welche vom Sturmarchiv Schweiz in Zusammenhang mit Auswertungen eigener Daten selbst gewonnen wurden, auch diverse Studien, Matur-, Diplom- und Dissertationsarbeiten sowie Informationen zu Projekten oder Datenbanken ähnlicher Thematik.
Ein zentraler Forschungsgegenstand bilden die orographischen und klimatischen Besonderheiten der Schweiz, welche zur Begünstigung oder Entschärfung extremer Wetterereignisse beitragen.
Aufgrund der Tatsache, dass der Föhn eine spezifische Eigenheit des Schweizer Klimas darstellt, ist ihm ein eigenes Unterkapitel gewidment.
Erkenntnisse aus der Auswertung eigener Daten
Wichtiger Hinweis
Die folgenden Erkenntnisse über Tornados in der Schweiz sind urheberrechtlich geschützt. Deren kommerzielle oder redaktionelle Nutzung bedarf unserer ausdrücklichen Genehmigung und kann kostenpflichtig sein. Die Nutzung für private, schulische oder wissenschaftliche Zwecke ist unter Angabe der Quelle ("Quelle: Sturmarchiv Schweiz / www.sturmarchiv.ch") ohne Kontaktaufnahme erlaubt.
Tornados in der Schweiz
Klimatologische Aussagen über Tornadoereignisse in der Schweiz sind grundsätzlich mit Vorsicht zu geniessen. Der Grund dafür liegt in einer lückenhaften Statistik und vor allem in der Tatsache, dass solche Ereignisse selten sind. Schwächere Ereignisse (ohne nennenswerte Schäden) wurden in früheren Jahrhunderten entweder nicht veröffentlicht oder gar nicht erst bemerkt. Die nationale Forschung auf dem Gebiet der Tornados und die systematische Erfassung gegenwärtiger und vergangener Ereignisse im Sturmarchiv Schweiz hat sich erst in den späten Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts entwickelt. Dennoch konnten bereits erste Erkenntnisse in Bezug auf die Tornado-Charakteristik in der Schweiz gewonnen werden.
Häufigkeit/Stärke
In der Schweiz werden pro Jahr durchschnittlich eine Handvoll bis ein Dutzend Tornados (meist in Form von Wasserhosen) beobachtet respektive gemeldet. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer dieses kleinräumigen Wetterphänomens nicht zuletzt aufgrund unserer Topographie relativ hoch ist. Wasserhosen zum Beispiel bleiben aufgrund ihrer Kurzlebigkeit und dem Fehlen von sichtbaren Spuren manchmal unbemerkt. Dasselbe gilt für schwache Tornados im hügeligen bis gebirgigen Gelände. Wie überall auf der Erde ist die überwiegende Zahl der beobachteten Land-Tornados in der Schweiz von schwacher Natur (F0/F1). Starke (F2/F3) oder gar verheerende (F4/F5) Tornados sind hierzulande aufgrund des ohnehin niedrigen Tornadovorkommens und wegen der kleinen Fläche der Schweiz sehr respektive äusserst seltene Ereignisse. Aufgrund bisheriger Erkenntnisse muss etwa alle zehn Jahre mit einem starken und alle 50 bis 100 Jahre mit einem verheerenden Tornadoereignis gerechnet werden. Im Moment (Stand: Januar 2013) ist ein Ereignis der Intensität >= F3 überfällig. Der letzte verheerende Tornado in der Schweiz hatte die Stärke F4 und wütete am 26. August 1971 im Vallée de Joux. Interessant: Er war ähnlich katastrophal und hatte fast die identische Zugbahn wie derjenige vom 19. August 1890.
Verteilung/Vorkommen
Die beiden grossen Seen Genfersee und Bodensee sind besonders im Spätsommer bei Kaltlufteinbrüchen "anfällig" für Wasserhosen. Besonders begünstigt ist beim Genfersee der gesamte Obersee und beim Bodensee der südöstliche Bereich des Obersees, dann nämlich, wenn sich eine einzelne "Lake Effekt" induzierte Schauerzelle etablieren kann und in der Folge über längere Zeit stationär bleibt. Aber auch auf kleineren Seen wurden schon Grosstromben beobachtet, namentlich auf dem Neuenburgersee, dem Bielersee, dem Murtensee, dem Zürichsee, dem Pfäffikersee, dem Greifensee, dem Zugersee, dem Ägerisee und dem Vierwaldstättersee. Abgesehen von eben diesen Tromben über Wasser besteht eine im Vergleich zum Rest des Landes erhöhte Tornadogefahr entlang des westlichen Jurabogens sowie entlang der nördlichen Voralpen. Ursächlich hierfür dürften unter anderem durch die Topographie hervorgerufene Modifikationen des Windfeldes sein, welche auf die Entstehung von Superzellen zum Einen (Stichworte Low Level Jet, Inflowkanalisierung, Helizität) und auf die Produktion von Tornados zum Anderen (Stichworte niedrige Wolkenuntergrenze, Windscherung, Feuchtestau) begünstigend wirken.
Übersicht über die letzten bekannten Tornados nach Fujita Stärke
Wie folgt eine stets aktuell gehaltene Übersicht über die jüngsten Tornado-Ereignisse* der jeweiligen (geschätzten) Fujita Stärke (ohne F0):
Stärke | Letztes Ereignis |
---|---|
F5 | bislang nicht dokumentiert |
F4 | 26.08.1971: Vallée de Joux (VD) |
F3 | 12.06.1926: La Chaux-de-Fonds (NE) |
F2 | 17.08.2004: Villargiroud (FR) |
F1 | 02.05.2013: Innereriz (BE) |
Tornado- und Funnelcloudstatistik
Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die vom Sturmarchiv Schweiz erfasste Anzahl von Tornados und Funnelclouds in der Schweiz ab dem Jahr 2000 (inkl. gesamter Genfer- und Bodensee). Zahlen, welche nicht in Klammern gesetzt sind, repräsentieren Ereignisse mit QC-Status QC1 (bestätigt/verifiziert). Zahlen in Klammern repräsentieren Ereignisse mit QC-Status QC0+ (plausibel). Ungeprüfte oder wenig plausible Verdachtsfälle werden in dieser Statistik nicht erfasst.
Ein Tornado ist in der Regel, aber nicht zwingend von einer sichtbaren Funnelcloud begleitet. Funnelclouds werden im Sturmarchiv Schweiz statistisch nur dann erhoben, wenn davon ausgegangen werden muss oder sicher ist, dass Bodenkontakt nicht stattgefunden hat. Daraus folgt, dass eine gesicherte Funnelcloud mit gleichzeitigem plausiblen Verdacht auf Bodenkontakt als Tornadoverdachtsfall behandelt und entsprechend statistisch erhoben wird.
Jahr | Tornados über Land | Wasserhosen | Tornados gesamt | Funnelclouds | Highlights / Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|
Ø 2004 - 2019 |
0.69 (0.94) | 2.5 (0.44) | 3.19 (1.38) | 3.56 (2.06) | Funnelcloud- und Tornadoereignisse sind in der Schweiz nach wie vor selten, wobei deren Zahl von Jahr zu Jahr sehr variabel sein kann. Durchschnittswerte sind daher nur bedingt aussagekräftig. |
2020 | 0 (0) | 0 (0) | 0 (0) | 0 (0) | |
2019 | 1 (0) | 2 (0) | 3 (0) | 4 (0) |
|
2018 | 1 (0) | 6 (0) | 7 (0) | 8 (5) |
|
2017 | 0 (0) | 2 (0) | 2 (0) | 0 (0) |
|
2016 | 0 (0) | 1 (0) | 1 (0) | 3 (0) |
|
2015 | 1 (0) | 2 (0) | 3 (0) | 4 (1) |
|
2014 | 0 (1) | 1 (0) | 1 (1) | 10 (3) | |
2013 | 1 (1) | 5 (3) | 6 (4) | 25 (8) |
|
2012 | 1 (2) | 9 (1) | 10 (3) | 3 (16) |
|
2011 | 1 (0) | 0 (1) | 1 (1) | 0 (0) | |
2010 | 0 (1) | 1 (0) | 1 (1) | 0 (0) | |
2009 | 0 (1) | 1 (0) | 1 (1) | 0 (0) | |
2008 | 0 (3) | 1 (0) | 1 (3) | 0 (0) | |
2007 | 0 (2) | 3 (0) | 3 (2) | 0 (0) | |
2006 | 1 (4) | 2 (1) | 3 (5) | 0 (0) |
|
2005 | 2 (0) | 3 (1) | 5 (1) | 0 (0) | |
2004 | 2 (0) | 1 (0) | 3 (0) | 0 (0) |
Aktuelle und vergangene Forschungsprojekte
Links zu aktuellen Projekten
Meteoschweiz
Institute for Athmospheric and Climate Science an der ETH Zürich (IACETH)
Swiss Climate Research (NCCR)
Vergangene Projekte
Convective and Orographically-induced Precipitation Study (COPS) (2007)
Weltgrößte Messkampagne für Niederschlagsvorhersagen (Einsatzgebiet: Schwarzwald), Teil des UN- Weltwetterforschungs-
Programms
Offizielle COPS Homepage
COPS Homepage der Uni Hohenheim
The Laseyer Rotor - strong wind gusts in a narrow alpine valley
Institute for Atmospheric and Climate Science
The Mesoscale Alpine Program (MAP) (1999)
MAP Homepage der Meteoschweiz
MAP Homepage des Institute for Athmospheric and Climate Science an der ETH Zürich (IACETH)
SETEX (1994)
SEvere Thunderstorm EXperiment
CLEOPATRA (1992)
Meteorologisches Feldexperiment unter der Schirmherrschaft des DLR zur Untersuchung der Entstehung von Wolken und Niederschlag am Alpenrand
The Evolution of Severe Convective Storms on July 21, 1992 in Central Europe - A Comprehensive Dataset for Mesoscale Research
Grossversuch IV (1976-1983)
Hagelabwehrexperiment im Napfgebiet
Forschungsarbeiten und Fallstudien
(M. Stoll, 2011)
(M. Stoll, G. Kaufmann, A. Hostettler, 2011)
(N. Hilker, A. Badoux, C. Hegg, 2009)
(M. Graf, 2008)
(A. M. Hering, U. Germann, M. Boscacci and S. Sénési, 2006)
(R. M. Hohl, 2005)
(A. M. Hering, S. Sénési, P. Ambrosetti and I. Bernard-Bouissières, 2005)
(A. M. Hering, C. Morel, G. Galli, S. Sénési, P. Ambrosetti and M. Boscacci, 2004)
(Diplomarbeit von P. Gyarmati, 2004)
(Diplomarbeit von R. Knöpfel, 2004)
(N. Dotzek, 2003)
(Organe consultatif sur les changements climatiques, 2003)
(S. Medina and R.A. Houze, Jr., 2003)
(Doktorarbeit von R.M. Hohl, 2001)
- The Alps - A generator of tornadoes?
(W. Schmid, H.-H. Schiesser and A. Walker, 2000)
- Abstract
- Presentation
(Ch. Frei and Ch. Schär, 2000)
(W. Schmid, H.-H. Schiesser, M. Furger and M. Jenni, 1999)
(C. James, S. Brodzik, H. Edmon, R.A. Houze, Jr. and S.E. Yuter, 1999)
(W. Schmid, W. Linder and H.-H. Schiesser, 1999)
(H.-H. Schiesser, R. Hohl und W. Schmid, 1999)
- Klimatologie der Stürme und Sturmsysteme anhand von Radar- und Schadendaten (online nicht verfügbar => Broschüre vergriffen)
(W. Schmid, H.-H. Schiesser, S. Willemse and A. Waldvogel, 1997)
- The Squall Line of 21 July 1992 in Southern Germany: An Observational Case Study (online nicht verfügbar => Bestellung via DLR)
(S.P. Haase-Straub, M. Hagen, T. Hauf , D. Heimann, M. Peristeri and R.K. Smith, 1997)
(W. Schmid, H.-H. Schiesser and B. Bauer-Messmer, 1997)
(H.-H. Schiesser, W. Schmid, R.A. Houze, Jr. and B. Bauer, 1996)
(H. Huntrieser, H.-H. Schiesser, W. Schmid and A. Waldvogel, 1996)
(H. -H. Schiesser, R.A. Houze, Jr. and H. Huntrieser, 1995)
(L. Li, W. Schmid and J. Joss, 1994)
(R.A. Houze, Jr., W. Schmid, R.G. Fovell and H.-H. Schiesser, 1993)
(H.-H. Schiesser, R.A. Houze, Jr. and A. Waldvogel, 1992)
(W. Schmid, H.-H. Schiesser and A. Waldvogel, 1992)
(G. Röthlisberger, 1991)
(H.-H. Schiesser and R.A. Houze, Jr., 1991)
(J. Bader, W.A. Stahel and W. Schmid, 1991)
(W. Schmid, H.-H. Schiesser, R.A. Houze, Jr. and R.G. Fovell, 1990)
(A.S. Dennis, P.L. Smith and J.R. Miller, Jr., 1990)
(J.-F. Mezeix, 1989)
(P.L. Smith and A. Waldvogel, 1988)
(A. Waldvogel, H.-H. Schiesser, W. Schmid and J.F. Mezeix, 1987)
(J. Dessens, 1987)
(A. Waldvogel, L. Klein, D.J. Musil and P.L. Smith, 1986)
(W. Schmid and A. Waldvogel, 1985)
(H.-H. Schiesser, B. Federer, A. Waldvogel, W. Schmid, F. Hampel, M. Schweingruber, W. Stahel, J. Bader, J.F. Mezeix, N. Doras, G. D'Aubigny, G. DerMegreditchian and D. Vento, 1985)
(A. Waldvogel, B. Federer and W. Schmid, 1978)
- L'évolution orageuse au nord des Alpes et la tornade du Jura vaudois du 26 août 1971 (online nicht verfügbar => Bestellung via Meteoschweiz)
(A. Piaget, 1976)
(H. Frey, 1926)
- Le cyclone orageux du 12 juin 1926 - Annalen der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt 1926, Anhang Nr. 3 (online nicht verfügbar => Bestellung via Meteoschweiz)
(J.L. Herzog and Ch. Golaz, 1926)
Weitere Arbeiten, Analysen, Positionspapiere, Faktenblätter und Publikationen
- Schwergewitter auf der Alpennordseite der Schweiz (HTML-Datei) (Maturarbeit von F. Muriset, 2003)
- Windprofile an Tagen mit Schwergewittern im zentralen und östlichen Mittelland sowie an den Voralpen (Bernhard Oker)
- Gemittelte Soundings von Payerne an Gewittertagen (Bernhard Oker)
- Tornados in der Schweiz (Stephan Bader, Meteoschweiz, 2001)
- Weitere Publikationen der Meteoschweiz
- Publikationen des Institute for Athmospheric and Climate Science an der ETH Zürich (IACETH)
- Publikationen des Swiss Climate Research (NCCR)
Interessante Diskussionen im Schweizer Sturmforum
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Statistik / Klima
(Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern)
(Bernhard Oker, meteoradar)
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(Bernhard Oker)
(Schweizerische Hagel-Versicherungs-Gesellschaft)
(Schweizer Hagel)
(Schweizer Hagel)
(Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung)
(PLANAT)
(aus dem Schlussbericht NFP 31: "Klimatologie der Stürme und Sturmsysteme anhand von Radar- und Schadendaten")