18630107 01 Storm Alpennordseite: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Schweizer Sturmarchiv
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 106: Zeile 106:
In unserm Lande blieb keine einzige Gemeinde ganz verschont, am härtesten indessen wurden das Hinter- und Mittelland betroffen und in Innerrhoden die Bezirke Kau, Lank, Schlatt
In unserm Lande blieb keine einzige Gemeinde ganz verschont, am härtesten indessen wurden das Hinter- und Mittelland betroffen und in Innerrhoden die Bezirke Kau, Lank, Schlatt
und Engenhütten.<br/>
und Engenhütten.<br/>
Zu einer vollständigen Schilderung der verderblichen Wirkungen des Sturmes geht uns das nothige Material ab; wir müssen uns auf Hervorhebung einzelner Züge des großartigen Bildes der Zerstörung beschränken.<br/>
 
In Außerrhoden allein belief sich die Zahl dcr geschädigten Häuser und Scheunen auf über 500 (genau kann die Zahl leider nicht angegeben werden).<br/>
In Außerrhoden allein belief sich die Zahl dcr geschädigten Häuser und Scheunen auf über '''500''' (genau kann die Zahl leider nicht angegeben werden).<br/>
Begreiflich, daß ältere und baufällige Wohnungen, also gerade die der ärmern Bevölkerung, am meisten zu leiden hatten.<br/>
Aber auch der neuern, ganz solid gebauten Häuser und Scheunen waren es viele, die ebenfalls erheblichen Schaden litten, und wüßten wir nicht,
daß auch die unbedeutendste Wirkung dieses Sturmes eine Folge natürlicher Gesetze gewesen, so müßten wir Meister Föhn der Launenhaftigkeit beschuldigen; hat er doch hier nach menschlichem Urtheil seinem Anprall am meisten ausgesetzte Wohnungen verschont und dagegen solche in vermeintlich geschützter Lage arg mitgenommen und dort ist er an Häusern, die vom Zahn der Zeit schon tüchtig benagt sind, spurlos vorübergegangen, indeß er ganz in der Nähe neue und solide ausgesucht und an ihnen seine zerstörende Gewalt bewiesen hat.<br/>
Diese Gewalt äußerte sich nicht bloß dadurch, daß unzählige Fensterläden, Schindeln, Ziegel und Kamine abgerissen und Hunderte von Fensterscheiben zerschlagen wurden, sondern der
Diese Gewalt äußerte sich nicht bloß dadurch, daß unzählige Fensterläden, Schindeln, Ziegel und Kamine abgerissen und Hunderte von Fensterscheiben zerschlagen wurden, sondern der
Sturmwind hob zu Dutzenden und Dutzenden halbe und ganze Dächer ab und trug sie fort, oft so weit und an solche Orte, daß man sie eigentlich suchen mußte, und damit nicht zufrieden, riß er an manchem Orte hier eine Scheune, dort ein Haus aus allen Fugen und zertrümmerte sie ganz und gar.<br/>
Sturmwind hob zu Dutzenden und Dutzenden halbe und ganze Dächer ab und trug sie fort, oft so weit und an solche Orte, daß man sie eigentlich suchen mußte, und damit nicht zufrieden, riß er an manchem Orte hier eine Scheune, dort ein Haus aus allen Fugen und zertrümmerte sie ganz und gar.<br/>
So wurde in Schwellbrunn der Stadel des Hauses Nr. 204 total ruinirt, auf der Steig in Bühler eine Wohnung bis auf die Stube zerrissen, in Hundweil ein Haus völlig überstürzt, in Haslen eine Scheune von der Anhöhe, ans der sie stand, ins Thal geworfen.<br/>
 
Und solcher Beispiele wären viele anzuführen- Viele Häuser mußten momentan verlassen werden, weil sie den Einsturz drohten.<br/>
So wurde in Schwellbrunn der Stadel des Hauses Nr. 204 total ruiniert, auf der Steig in Bühler eine Wohnung bis auf die Stube zerrissen.<br/>
In Hundweil wurde ein Haus völlig überstürzt, in Haslen eine Scheune von der Anhöhe, ans der sie stand, ins Thal geworfen.<br/>
Und solcher Beispiele wären viele anzuführen. Viele Häuser mußten momentan verlassen werden, weil sie den Einsturz drohten.<br/>
Andere konnten nur mit der größten Anstrengung vor der Entdachung gerettet werden, indem man die Dächer mit Ketten und Seilen an in die Erde geschlagene mächtige Pflöcke band.<br/>
Andere konnten nur mit der größten Anstrengung vor der Entdachung gerettet werden, indem man die Dächer mit Ketten und Seilen an in die Erde geschlagene mächtige Pflöcke band.<br/>
Das gelang indessen nicht überall. In Teufen und andern Orten trug der Wind ganze Bettstücke aus den Kammern fort.<br/>
Das gelang indessen nicht überall. In Teufen und andern Orten trug der Wind ganze Bettstücke aus den Kammern fort.<br/>
In Innerrhoden schleuderte der Sturm ein Brett 20' weit durch ein Kammerfenster an ein Bett, darin ein Kind lag, ohne dieses zu beschädigen.<br/>
Dagegen wurde in Teufen ein junger Mann, Vater von 2 Kindern, von einem fliegenden Stück Balken erschlagen. *)
Der Morgen des 7. Januar bot in unserm Ländchen einen traurigen Anblick dar.<br/>
Der Morgen des 7. Januar bot in unserm Ländchen einen traurigen Anblick dar.<br/>
In Schwellbrunn, Urnäsch, Stein, Herisau, Teufen, Bühler, Speicher, Trogen und Rehetobel gab es ganze Bezirke, in denen kaum ein Haus unbeschädigt war.<br/>
In Schwellbrunn, Urnäsch, Stein, Herisau, Teufen, Bühler, Speicher, Trogen und Rehetobel gab es ganze Bezirke, in denen kaum ein Haus unbeschädigt war.<br/>
In diesen und den übrigen Gemeinden waren Hunderte von Häusern und Scheunen abgedeckt, viele zerstört.<br/>
In diesen und den übrigen Gemeinden waren Hunderte von Häusern und Scheunen abgedeckt, viele zerstört.<br/>
In Hundwcil und Stein allein wurde die Zahl der entdachten und beschädigten Wohnungen und Ställe auf 200 berechnet.<br/>
In Hundweil und Stein allein wurde die Zahl der entdachten und beschädigten Wohnungen und Ställe auf '''200''' berechnet.<br/>
Haslen zählte 47, Engenhütten 22 abgedeckte Firste.<br/><br/>
Haslen zählte '''47''', Engenhütten '''22''' abgedeckte Firste.<br/><br/>


Nicht weniger traurig sah es in vielen Theilen der Gemeinde Urnäsch aus und so arg denn irgendwo hatte der Sturm in Teufen gehaust, besonders in Schlatterlehn, Schönenbühl,
Nicht weniger traurig sah es in vielen Theilen der Gemeinde Urnäsch aus und so arg denn irgendwo hatte der Sturm in Teufen gehaust, besonders in Schlatterlehn, Schönenbühl,
Zeile 129: Zeile 126:
Auch letztere Gemeinde bot dem Auge manche düstere Bilder der Zerstörung dar.<br/>
Auch letztere Gemeinde bot dem Auge manche düstere Bilder der Zerstörung dar.<br/>
Dagegen blieb Gais merkwürdiger Weise ziemlich verschont, während der Sturm von 1821 hier am heftigsten getobt und im Schachen und Rietle fast alle Dächer abgerissen hatte.<br/>
Dagegen blieb Gais merkwürdiger Weise ziemlich verschont, während der Sturm von 1821 hier am heftigsten getobt und im Schachen und Rietle fast alle Dächer abgerissen hatte.<br/>
Es ist schier ein Wunder zu nennen, daß bei so massenhafter Zerstörung menschlicher Wohnungen so wenig Beschädigungen an Leib und Leben vorkamen.<br/>
 
Mit Ausnahme jenes schon erwähnten bedauerlichen Todesfalles in Teufen ist uns kein anderes Ereigniß dieser oder ähnlicher Art bekannt, soweit es Menschenleben betrifft.<br/>
Dagegen lief es hie und da nicht ohne Schaden an der Viehhabe ab.<br/>
In Hundweil, unterhalb des Buchbergs, band ein Bauer sein Vieh los, um es aus dem bedrohten Stalle zu retten.<br/>
Draußen aber erstickte der Sturm eine Kuh, zwei andere waren nahe daran, auf gleiche Weise umzukommen, und noch andere wurden vom Winde ein Stück weit fortgeschleudert.<br/>
Im Gupf in Rehetobel bedeckten die Trümmer eines großen, schönen Stalles 14 Stücke Vieh, erschlugen zwei davon und verletzten die meisten.<br/>
Nur der größten, mit Lebensgefahr für die Bctheiligten verbundenen Anstrengung gelang es, die noch lebenden Thiere durch den Düngerkasten zu retten.<br/>
Hier wurden große Balken 1000 Schritte weit fortgetragen und 50—60 Zentner Futter zerstreut.<br/>
Auch an andern Orten konnte das Vieh nur mit Lebensgefahr gerettet werden.<br/>
An der Hundweiler Höhe war ein Bauer kaum mit feinen Kühen aus dem Stalle gefahren, als dieser zusammenstürzte.<br/>
Eine gnädige Fügung war es auch, daß fast alle Passagiere der Posten und anderer Wagen, die in großer Anzahl umstürzten, mit heiler Haut davonkamen.<br/>
Die Post von Trogen und Appenzell, der Omnibus von Gais und viele Privatchaisen leerten um: die Post von Heiden konnte sich nur mit knapper Noth vor dem gleichen Unfall bewahren.<br/>
Von Poststürzen berichtete man auch aus dem Toggenburg und doch setzte es beinahe nirgends Verletzungen ab, dafür aber manche komische Szene:<br/>
wenn eine ganze menschliche Postladung sich auf einmal auf der Straße windschief abgesetzt sah und Einer nach dem Andern aus dem schief stehenden oder ganz umgeworfenen Vehikel sich heräusbemühte und draußen aus allen Kräften um das Gleichgewicht gekämpft werden mußte.<br/>
Wie manche Kappe flog von den Köpfen der sehnsüchtig nachsehenden Eigenthümer ins Weite — auf Nimmerwiedersehen!<br/>
Wie manches Fabrikantenwägelchen kämpfte mühsam und schwer gegen den Sturm an und kehrte, den Kürzern ziehend und «achgebend, bald wieder um!<br/>
Der Markt in St. Gallen war an jenem Tage wie verödet.<br/>
Auch das gehörte zur Komik des Tages, daß die Kreispostdirektion in St. Gallen am Vormittag den großen Postwagen, der am Morgen von Appenzell her umgeblasen worden, im sichern Schuppen stehen ließ und die Passagiere nach Teufen, Bühlcr, Gais und Appenzell auf einem Leiterwagen spedirte, der dem Winde freien Durchzug gestattete und auch glücklich am Bestimmungsorte ankam.<br/>
Referent befand sich gerade auf der Straße, als der Sturm noch sehr heftig war.<br/>
Er und ein Begleiter wurden oft mit unwiderstehlicher Gewalt vorwärts getrieben und als er einem heimkehrenden, dem umgeworfenen Postwagen entstiegenen Bekannten zu Hülse eilen wollte, da eben ein mächtiger Windstoß eintrat, wurde er unsanft zur Seite geschleudert und konnte sich nur mit Aufbietung aller physischen Kraft an dem Straßenzaun festhalten.<br/>
Doch wir kehren zur ernsten Seite des Tages zurück. Gott sei Dank, daß kein Feuer ausbrach.<br/>
In Bühler drohte diese Gefahr, sie konnte aber augenblicklich beseitigt werden.<br/>
Fast überall wurde die Feuerpolizei aufs schärfste gehandhabt und manchen Ortes alles Feuern und Kochen untersagt.<br/>
Man muß sich des Gedankens ordentlich erwehren, welch namenloses, entsetzliches Unglück und Elend entstanden sein würde, wenn zur Zeit des heftigsten Sturmes Feuer ausgebrochen wäre.<br/>
Und wie leicht wäre das möglich gewesen an mehrern Orten zugleich! Es war so genug des Jammers.<br/>
Es bleibt uns noch übrig, den größten Schaden zu berühren, den der Sturm verursacht hat, den an Feld- und Waldbäumen.
Es bleibt uns noch übrig, den größten Schaden zu berühren, den der Sturm verursacht hat, den an Feld- und Waldbäumen.
Schlecht genug bestellt mit diesem kostbaren Naturprodukt, wie wir sind, ist die daran erlittene Einbuße um so empfindlicher und viel größer.<br/>
Schlecht genug bestellt mit diesem kostbaren Naturprodukt, wie wir sind, ist die daran erlittene Einbuße um so empfindlicher und viel größer.<br/>
Zeile 159: Zeile 132:
Eine vom Winde abgedeckte menschliche Wohnung ist ein trauriger Anblick und doch nicht zu vergleichen mit einem entwurzelten und geknickten Stück Wald.<br/>
Eine vom Winde abgedeckte menschliche Wohnung ist ein trauriger Anblick und doch nicht zu vergleichen mit einem entwurzelten und geknickten Stück Wald.<br/>
Und solcher Stücke gab es am 7. Januar leider sehr viele im Lande.<br/>
Und solcher Stücke gab es am 7. Januar leider sehr viele im Lande.<br/>
Nicht nur unzählige einzelne Feld- und Waldbänme, sondern ganze Strecken Waldung waren dem Sturm zum Opfer gefallen.<br/>
Nicht nur unzählige einzelne Feld- und Waldbänme, sondern '''ganze Strecken Waldung waren dem Sturm zum Opfer gefallen.'''<br/>
Da lagen sie, Tausende von Stämmen, bis auf die letzte Wurzel der nährenden Erde entrissen, oben am Wipfel, in der Mitte, an der Wurzel entzweigebrochen, durcheinandergeworfen oder in einer Richtung neben einander den Boden bedeckend wie Leichen auf dem Schlachtfeld.<br/>
Da lagen sie, '''Tausende von Stämmen''', bis auf die letzte Wurzel der nährenden Erde entrissen, oben am Wipfel, in der Mitte, an der Wurzel entzweigebrochen, durcheinandergeworfen oder in einer Richtung neben einander den Boden bedeckend wie Leichen auf dem Schlachtfeld.<br/>
So umfaßlich groß war die Gewalt des Sturmes, daß er die mächtigsten Tannen mit Wurzeln und Erde futzweit erst in die Höhe riß und dann zur Erde niederschmetterte.<br/>
So umfaßlich groß war die Gewalt des Sturmes, daß er die mächtigsten Tannen mit Wurzeln und Erde futzweit erst in die Höhe riß und dann zur Erde niederschmetterte.<br/>
Wer es mit eigenen Augen und Ohren sah und hörte, wie der Föhn die Wälder lichtete, ein Stamm nach dem andern krachend stürzte, dem werden jene Augenblicke unvergeßlich fein!<br/>
'''Wer es mit eigenen Augen und Ohren sah und hörte, wie der Föhn die Wälder lichtete, ein Stamm nach dem andern krachend stürzte, dem werden jene Augenblicke unvergeßlich fein!'''<br/>
Am meisten litten in dieser Beziehung die Gemeinden Urnäsch, Stein, Hundwcil, Teufen und Trogen.<br/>
Am meisten litten in dieser Beziehung die Gemeinden Urnäsch, Stein, Hundweil, Teufen und Trogen.<br/><br/>
In Teufen wurde der Schaden an Fruchtbäumen allein auf über l7,000 Fr: geschätzt. Innerrhoden wurde noch härter mitgenommen in seinen Waldungen als unser Kanton und nach ganz mäßiger Berechnung ist der Schaden an Frucht- und Waldbäumen für beide Landestheile zu 600,000 Fr. und der Gesammtschaden in runder Summe zu einer Million anzunehmen.<br/><br/>
 
Der Sturm und seine Folgen waren in Jedermanns Munde und wo man hinkam, hieß es:<br/>
Da muß geholfen werden! War schon durch nachbarliche Theilnahme und Hülfe momentan viel gethan worden, so galt es jetzt, im ganzen Lande sich zum Liebeswerk zu vereinigen.<br/>
Die Regierung ordnete es an. Sie ließ unverzüglich durch die Gemeindevorsteherschaften eine amtliche Schätzung des Schadens vornehmen und dcn Grad dcr Hülfsbedürftigkeit der einzelnen Geschädigten ermitteln, um sodann in einer würdigen Proklamation, vom 23. Januar, für die Hülfsbedürftigen eine Liebessteuer von Hans zu Haus anzuordnen, die trotz den
klemmen Zeitverhältnissen 19,793 Fr. 99 Rp, abwarf. Der Gr. Rath dekretirte zu dem gleichen Zwecke 699« Fr. aus dem Salzfond und durch milde Steuern aus andern Kantonen und dem Auslande stellte sich dic Summe, mit der man dcn wirklich Bedürftigen in unserm Halbkantone zu Hülfe kommen konnte, auf beinahe 36,666 Fr.<br/>
Die Repartirung derselben aus dic einzelnen Gemeinden geschah durch dic Standcskommission nach dem Grade der ökonomischen Roth, die Austheilung der Liebesgaben durch die Vorstcherschaftcn.<br/>
Rachstehende Tabelle giebt nähern Aufschluß über die Anzahl der Srurmbefchädigteii, des Schadens und der Liebesgaben.<br/>
In dcn Gemeinden Urunsch, Herisau, Schwellbrunn und Hundweil konnte der Schaden an Waldungen wegen dcr ungcheurcn Schneemasfe nicht abgeschätzt werden.<br/>
Man nimmt jedoch beiläufig an, daß dcr Schaden an Waldungen in Urnäsch zirka 89,660 Fr. und in Hundwcil etwa die Hälfte betrage.
Ueber Schwellbrunn und Herisau fehlt jede nähere amtliche Angabe. In dcn übrigen Gemeinden beträgt der Gesammtfchaden, soweit er amtlich abgeschätzt worden, an Waldungen
159,183 Fr. und an Fruchtbäumen 33,661 Fr.<br/>
Gar viele Beschädigungen von mindert« Belang sind aber nicht abgeschätzt worden und die Zahl der Personen, welche der Sturm mehr oder weniger geschädigt hat, steigt jedenfalls weit über 1500.<br/><br/>
 
-----
-


==Historische Quellen==
==Historische Quellen==

Version vom 22. Februar 2017, 11:04 Uhr

Quick Facts

Type of Event Foehn storm
Verification State QC1
ESWD Not reported
Location Alps and north of Alps
Time / Duration Long-time event
Date 06. / 07.01.1863
Magnitude / Dimension >130km/h
Damage / Impact -
Fatalities -
Injuries -
Report Source historical reports
Remarks -


Ereignis

Föhnsturm vom 6. Januar 1863.

"Da begann das neue Jahr 1863. Ein entsetzlicher Schnee- und Föhnsturm, desgleichen die ältesten Leute sich nur aus dem Jahre 1808 erinnern, brach am 6. Januar los."
Dabei wüthete der unheimliche Föhn, das wilde Kind der Wüste Sahara, in grausenerregender Weise.
Er verwehte jede menschliche Spur, selbst die Telegraphenstangen wurden entwurzelt und umgeworfen,
so dass seit jener Nacht für mehrere Tage alle und jede elektrische Verbindüng über die Alpen zerstört wurde.
In der unteren Schweiz wütete der Föhn noch verheerender, als in der Höhe da die droben in engen Alpenthäler eingeschlossene Kraft nun in der Hochebene entfesselt war.
Zahllose Bäume wurden entwurzelt, ganze Dächer einer grossen Menge von Häusern und Ställen fortgetragen, ja sogar einzelne Gebäude ganz vom Erdboden rasiert.
Dabei läuteten alle Glocken schauerlich, vom Sturmwind bewegt, in den Aufruhr der Elemente.

Für die nördliche Schweiz liefert der Aufsatz von Deicke folgende Daten:
Schon in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar nahm der Föhn in der ganzen Schweiz einen sturmartigen Charakter an.
Der sich in dem Thale der Stadt St. Gallen unter starkem Regen, vermischt mit Schneegestöber morgens zwischen 8-9 Uhr als Orkan anmeldete.
Ungefähr um 10 Uhr seine grösste Energie entfaltete und zwischen 11 und 12 Uhr sich nur noch als gewöhnlicher Föhn bemerkbar machte.
Bedeutende Verheerungen übte der Orkan im Linththale bis zum Zürichsee an.

In allen Tobeln, die in die Sitter münden, sind die meisten und oft die stärksten Bäume umgeworfen oder abgebrochen worden.
Mit einigen Ausnahmen hatten die Stämme die Lage von S. nach N. und sind daher auch in dieser Richtung vom Orkan erfasst worden.
An der Handwyler Höhe und besonders im Nordabfalle dieser Berge sind eine grosse Menge Bäume, 39 oft drei Schuh im Durchmesser haltend,
entweder mit der Wurzel herausgerissen oder abgebrochen worden. Auch hier lagen die Stämme fast durchwegs von S. nach N.
Eine Menge Dächer von Gebäuden und fast ganze Gebäude sind im Thale der Sitter durch den Orkan zerstört worden.

In Teufen wurde ein Mann durch einen fortgeschleuderten Balken erschlagen.
Bei Bühler warf der Wind einen Postwagen und einen Omnibus, gefüllt mit Passagieren um.
Zwischen Nesslau und Wildhaus dreimal den Postschlitten, wie Schuppli in den St. Galler Mittheilungen 1861-1862 mittheilt.
Der Kupferbeschlag von der Kuppel des Kirchturms in Bühler wurde theilweise abgerissen.
In Appenzell AR beträgt der durch den Orkan verursachte Scbaden 442,484 Franken, wovon 115,224 die Gemeinde Teufen betrafen.
Im Kanton St. Gallen betrug der Schaden 308,397 Franken.
In beiden Kantonen hat sich der Orkan der Quere nach auf ungefähr 12 Schweizer Stunden ausgedehnt.
Der Länge nach von S. nach N. im Ober-Toggenburg 5-6 Stunden, von Gais über Teufen nach St. Gallen kaum 3, am Bernharder Berge kaum 2.

In der Art der Fortpflanzung unterscheidet sich dieser Orkan von dem von 1841.
Letzterer ist nämlich überall von Süden nach Norden eingedrungen, hingegen hat sich der von 1863 von West nach Ost verbreitet.





Ursachen- und Ereignisanalyse / Messdaten

Schäden

Kanton St. Gallen

Kanton Appenzell

Der Föhnsturm im Januar 1863.

Unsre Chroniken erzählen uns von manchem Föhnsturm in frühern Jahren, so aus dem letzten Jahrhundert von dem im Jahre 1749 und aus dem gegenwärtigen von dem im Jahre 1821.
An Schrecken und Verheerungen Wohl eben so reich als die erwähnten war der im Januar 1863.
Ja, wenn wir die räumliche Ausdehnung ins Auge fassen, innerhalb deren Grenzen dieser neueste Sturm auftrat, so übertrifft er unsers Wissens alle frühern an Furchtbarkeit und Größe des verursachten Schadens.
Am 5. Januar fieng der Südwind an, zu wehen, und wehte immer stärker bis zum 6. Dann trat am Nachmittage dieses Tages einige Ruhe ein; der Wind schien sich zu legen.
Gegen Abend aber erhob er sich mit verdoppelter Gewalt und tobte die ganze Nacht auf den 7. Januar hindurch mit rasender Macht; heulend verscheuchte er den Schlaf von hundert und tausend Augen und richtete schon in dieser Nacht große Verheerungen an.

Allein noch hatte er die Höhe seiner Stärke nicht erreicht.
Erst am Morgen des 7. Januar, an den meisten Orten im Lande zwischen 7 und 8 Uhr, brach er mit seiner vollen Gewalt, mit unbeschreiblicher Wuth los und verursachte in unglaublich kurzer Zeit in Feld und Wald, an Häusern und Scheunen einen ungeheuren Schaden.

Von allen Seiten liefen Berichte, darunter oft wahrhaft erschütternde, über die Verheerungen des Sturmes ein.
In unserm Lande blieb keine einzige Gemeinde ganz verschont, am härtesten indessen wurden das Hinter- und Mittelland betroffen und in Innerrhoden die Bezirke Kau, Lank, Schlatt und Engenhütten.

In Außerrhoden allein belief sich die Zahl dcr geschädigten Häuser und Scheunen auf über 500 (genau kann die Zahl leider nicht angegeben werden).
Diese Gewalt äußerte sich nicht bloß dadurch, daß unzählige Fensterläden, Schindeln, Ziegel und Kamine abgerissen und Hunderte von Fensterscheiben zerschlagen wurden, sondern der Sturmwind hob zu Dutzenden und Dutzenden halbe und ganze Dächer ab und trug sie fort, oft so weit und an solche Orte, daß man sie eigentlich suchen mußte, und damit nicht zufrieden, riß er an manchem Orte hier eine Scheune, dort ein Haus aus allen Fugen und zertrümmerte sie ganz und gar.

So wurde in Schwellbrunn der Stadel des Hauses Nr. 204 total ruiniert, auf der Steig in Bühler eine Wohnung bis auf die Stube zerrissen.
In Hundweil wurde ein Haus völlig überstürzt, in Haslen eine Scheune von der Anhöhe, ans der sie stand, ins Thal geworfen.
Und solcher Beispiele wären viele anzuführen. Viele Häuser mußten momentan verlassen werden, weil sie den Einsturz drohten.
Andere konnten nur mit der größten Anstrengung vor der Entdachung gerettet werden, indem man die Dächer mit Ketten und Seilen an in die Erde geschlagene mächtige Pflöcke band.
Das gelang indessen nicht überall. In Teufen und andern Orten trug der Wind ganze Bettstücke aus den Kammern fort.
Der Morgen des 7. Januar bot in unserm Ländchen einen traurigen Anblick dar.
In Schwellbrunn, Urnäsch, Stein, Herisau, Teufen, Bühler, Speicher, Trogen und Rehetobel gab es ganze Bezirke, in denen kaum ein Haus unbeschädigt war.
In diesen und den übrigen Gemeinden waren Hunderte von Häusern und Scheunen abgedeckt, viele zerstört.
In Hundweil und Stein allein wurde die Zahl der entdachten und beschädigten Wohnungen und Ställe auf 200 berechnet.
Haslen zählte 47, Engenhütten 22 abgedeckte Firste.

Nicht weniger traurig sah es in vielen Theilen der Gemeinde Urnäsch aus und so arg denn irgendwo hatte der Sturm in Teufen gehaust, besonders in Schlatterlehn, Schönenbühl, Eggle, Feld und gegen Speicher hin.
Auch letztere Gemeinde bot dem Auge manche düstere Bilder der Zerstörung dar.
Dagegen blieb Gais merkwürdiger Weise ziemlich verschont, während der Sturm von 1821 hier am heftigsten getobt und im Schachen und Rietle fast alle Dächer abgerissen hatte.

Es bleibt uns noch übrig, den größten Schaden zu berühren, den der Sturm verursacht hat, den an Feld- und Waldbäumen. Schlecht genug bestellt mit diesem kostbaren Naturprodukt, wie wir sind, ist die daran erlittene Einbuße um so empfindlicher und viel größer.
Als die Berechnung in Zahlen ausweist, zumal die Folgen nach Jahren noch sich zeigen werden.
Eine vom Winde abgedeckte menschliche Wohnung ist ein trauriger Anblick und doch nicht zu vergleichen mit einem entwurzelten und geknickten Stück Wald.
Und solcher Stücke gab es am 7. Januar leider sehr viele im Lande.
Nicht nur unzählige einzelne Feld- und Waldbänme, sondern ganze Strecken Waldung waren dem Sturm zum Opfer gefallen.
Da lagen sie, Tausende von Stämmen, bis auf die letzte Wurzel der nährenden Erde entrissen, oben am Wipfel, in der Mitte, an der Wurzel entzweigebrochen, durcheinandergeworfen oder in einer Richtung neben einander den Boden bedeckend wie Leichen auf dem Schlachtfeld.
So umfaßlich groß war die Gewalt des Sturmes, daß er die mächtigsten Tannen mit Wurzeln und Erde futzweit erst in die Höhe riß und dann zur Erde niederschmetterte.
Wer es mit eigenen Augen und Ohren sah und hörte, wie der Föhn die Wälder lichtete, ein Stamm nach dem andern krachend stürzte, dem werden jene Augenblicke unvergeßlich fein!
Am meisten litten in dieser Beziehung die Gemeinden Urnäsch, Stein, Hundweil, Teufen und Trogen.

Historische Quellen

Interna

SSWD Main Editor Kaiko Last Edit 14.02.2017 Last Review - Documentation State Ready for Review