19580527 01 Flood Tessin TI: Unterschied zwischen den Versionen

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==Ereignis==
==Ereignis==
 
Am 27. Mai sind besonders auf der Alpensüdseite bedeutende Niederschläge zu verzeichnen.<br/>
Die eigenartige Verteilung derselben ist aus der Regenkarte Nr. 7, Tafel II, zu ersehen.<br/>
Ein Maximum von mehr als 140 mm liegt im «Centovalligebiet» (Camedo 149 mm, Locarno-Monti 97) ein zweites im Oberlauf des Tessins (Airolo 147 mm).<br/>
Von der Südspitze abgesehen, hat der ganze Kanton Tessin, das Misox, das Berninagebiet aber auch das Quellgebiet des Rheins, der Reuss und der Linth mehr als 60 mm Niederchlag  erhalten.<br/>
Die Bodenwetterkarten zeigen ein flaches Hochdruckgebiet über Südwesteuropa und die Entwicklung eines Tiefs östlich von Berlin bis zum Nachtag.<br/>
Weit ausgeprägter ist die Druckverteilung in der Höhe (500-Millibarfläche).<br/>
Im Westen der Alpen liegt ein tiefer Höhentrog, der sich um 0l h des 27. von Spanien über Großbritannien nordwärts erstreckt und ein Gebiet kalter Luftmassen darstellt.<br/>
Diese Zone erweitert sich langsam ostwärts ohne die Alpen wirklich zu überschreiten.<br/>
Damit rückt die starke SSW-Höhenströmung auf der Ostseite des Troges näher an die Alpen heran.<br/>
Die Niederschläge im Tessin, die in Locarno-Monti schon um 4 h des 27. eingesetzt hatten und während der ganzen Regenperiode von zahlreichen Gewittern begleitet waren,<br/>
sind somit als Südstau- (bzw. Föhn)regen zu betrachten. Das Druckininimum wurde am Alpensüdfuß am 28. um 4 h morgens erreicht.<br/>
Bis zu diesem Zeitpunkt sind auf der Alpensüdseite keine nennenswerten Temperaturänderungen zu verzeichnen, nachher ist die Temperatur im Steigen begriffen.<br/>
Von einem Kaltlufteinbruch ist also hier jedenfalls bis um 4 h nichts zu erkennen. Ganz anders auf der Alpennordseite.<br/>
Hier knüpfen sich die ersten Niederschläge an einen kräftigen Temperaturrückgang. Zunächst besteht eine leichte Föhnlage. <br/>
Die Höhenstationen zeigen am 27. starken Südwind. Der Himmel war nicht vollständig bedeckt.<br/>
Es ergaben sich z. B. für Zürich noch 3 Stunden Sonnenschein und damit ein ausgesprochener Tagesgang der Temperatur.<br/>
Die Niederschläge setzen in Genf um 14 h, in Bern um 17 h 15, in Zürich um 19 h 50 ein und waren von einer ausgesprochenen Bö, auf einigen Stationen von Gewittern begleitet.<br/>
In Zürich dauern sie mit wechselnder Stärke bis in die Nachmittagsstunden des Nachtags.<br/>
Die Trennung der beiden Regengebiete in der Westschweiz und im Tessin ist auf die verschiedene Verursachung zurückzuführen.<br/>
In der Nordostschweiz waren schon am Vormittag einige anscheinend dimmerföhnartige Niederschläge zu verzeichnen.<br/>
Wie aus den spärlichen Beobachternotizen hervorgeht muß jedoch der Hauptanteil der Niederschläge in den Nachtstunden (27./28. Mai) gefallen sein.<br/>
Die Gotthardstation Gütsch verzeichnet Gewitter und Winddrehung von Süd nach Nord zwischen 21 und 24 h. Dies dürfte die Hauptstörung sein.<br/>
Auch die Niederschläge der Nordostschweiz stehen somit, wie die im Westen, mit dem Einbruch kälterer Luft auf der Alpennordseite in Zusammenhang.<br/>
Das Druckminimum wurde in Zürich um 18 h, also kurz vor dem Einbruch der kalten Luft erreicht.<br/>
Der Höhentrog der 500-Millibarfläche lag aber um diese Zeit noch westlich der Schweiz.<br/>
Seine Troglinie ist überhaupt kaum gewandert und bleibt auch an den folgenden Tagen im Westen liegen.<br/>
Auf der Höhenstation Testa Grigia (Theodul) geht die Temperatur von 1 h bis 10 h des 28. um 5 Grad zurück, eine Winddrehung von Süd nach Nordost erfolgte hier erst am 28. zwischen 8  und 10 h.<br/>
Der Pluviograph Sion (Wallis) verzeichnet ziemlich gleichmäßig fallende Niederschläge von 22 bis 9 h (27./28.). <br/>
Eine scharfe Trennung zwischen rein orographisch bedingten Stau- und Einbruchsniederschlägen ist natürlich im Süden der Alpen nicht möglich.<br/>
Die Hauptsache ist die Labilisierung der Luftmassen. Diese auffallende Niederschlagsverteilung im Tessin und in der Nordostschweiz ist schon wiederholt aufgetreten.  Leider  fehlt  in  den  früheren  Fällen  das  zur  Be-urteilung  nötige  Beobachtungsmaterial  fast  gänzlich.  Die  Bodenkarten  können  naturgemäß  recht  verschieden  sein.  Die  Existenz  eines  kalten  Höhentroges  im  Westen  ist  aber  zweifellos  wesentlich.  In  einigen  Fällen  wurden  wellenartige  Störungen,    die  mit    der    Höhenströmung    wandern,  festgestellt.  Der  letzte  ähnliche  Fall  der  «Neu-zeit»  ist  derjenige  vom  7.  Juni  1956,  doch  gibt  es  sicher  noch  weitere mit  geringeren  Beträgen.  Bei  dem  Fall  vom  21.  Juni  1933,  der  sonst  fast  die  gleiche  Verteilung, aber bedeutend    größere  Mengen  aufweist,  fehlt  ein  ausge-zeichnetes  Regengebiet  in  der  Westschweiz.  Auch  konnte  damals  kein  deutlicher  Einbruch  kalter  Luft  nachge-wiesen  werden.  Ein  Problem  für  sich  bildet in  diesem  (und  anderen  Fällen)  die  Frage,  auf  welche  Weise  die  Labilisierung  der  Luft  auf  der  Alpensüdseite  zustande  kommt.  Denn  im  vorliegenden  Falle  regnet  es  ja  auf  der  Alpensüdseite  zur  gleichen  Zeit  wie  auf  der  Nordseite.  Nun  kann  man  auf  der  Alpennordseite  an  Hand  des    Temperaturrück-ganges  den  Einbruch  kälterer  Luft,  an  den  sich  die  Niederschläge  hier  knüpfen,  ohne  weiteres    nachweisen    (zum  Teil  handelt  es  sich  um  den  Ersatz  der  warmen  Föhnluft),  während    sich  im  Süden  nichts    derartiges    zeigt.  Auch  die  Erklärung  ist  auf  der  Nordseite  einfach.  Die  Winde  sind  hier  zwar  in  den  tiefen  Luftschichten  schwach,  die  Bodenwetterkarte  läßt  aber  doch  ein  deut-liches  von  Westen  nach  Osten  (später  NW-SE)  gerichte-te s  Druckgefälle  erkennen,  so  daß  die  kalte  Luft  hier  in  den  untern  Schichten  tatsächlich  aus  Nord  bis  Nordwest  kommen muß. Wie  steht  es  jedoch  in  den  höhern  Luftschichten?  Hier  weht  der  Wind  von  einer  gewissen  Höhe  an  ein-deutig  aus  Südwest.  Soll  man  diese  Strömung  auch  als  kalt  bezeichnen?  Wie  kommt  es  dann,  daß  man  am  Alpensüdfuß  nichts  von  dieser  «Kälte»  merkt?  Man muß jedoch  unterscheiden  zwischen  kalter  Luft  und  Kaltluft.  Letzteres  bedeutet  nämlich  in  erster  Linie  eine  labil  geschichtete  Luftmasse,  die  allerdings  ursprünglich    aus    polaren  Gegenden  stammt  und  auch  im  vorliegenden  Fall  um  das  Höhentief  herumgeflossen  sein  wird,  so  daß  si  e  unser  Land  in  der  Höhe  aus  Südwesten  erreicht,  und  trotzdem  ein  Vorrücken    des  Gebiets  kalter  Luft  nach  Osten  bewirkt.  Sie  braucht  dabei  keineswegs  als  beson-ders  kalt  zu  erscheinen.  Sicherlich  ist  sie  aber  ziemlich  labil  geschichtet  (großer  vertikaler  Temperaturgradient).  Si  e  dürfte  auch  eine  Höhenkaltfront  mit  sich  führen.  Diese  Bemerkungen  gelten  aber  für  den  ganzen  Bereich  der  Kaltluft  über  Südwesteuropa.  Was  uns  jedoch  hier  besonders  interessiert,  ist  die  Frage,  warum  die  Luft  im  Gebiet  der  unmittelbaren  Alpensüdseite  bedeutend  labiler  geschichtet  ist  als  die  der  Umgebung.  Man  hat  mit  Recht  auf  ihre  Labilisie-rung  durch  Aufstauung  am  Alpensüdhang  hingewiesen.  Si  e  ist  aber  (am  Alpensüdfuß)  auch  wärmer  als  die  der  Umgebung.  Nun,  was  das  anbetrifft: in  der  Umgebung,  nicht  nur  auf  der  Alpennordseite,  sondern  auch  in  Süd-ostfrankreich  und  Spanien  fließt  ungehindert  die  kalte  Bodenluftschicht  nach  Süden,  nicht  aber  am  Alpensüd-fuß,  denn  dort  steht  dieser  Nordströmung  die  Alpen-kette  im  Wege.  Wir  meinen  also,  dies  sei  der  Haupt-grund  für  die  relative  Labilisierung  auf  der  Alpensüd-seite.  Statt  durch  Kaltluftzufuhr  in  den  Höhen,  erklären  wir  sie  durch  das  Ausbleiben  der  Kaltluftzufuhr  in  den  untern    Schichten.    Diese    Erklärung    schließt    andere    keineswegs  aus.  Im  Einzelnen  kann  über  diese  warme  Luft  am  Alpen-südfuß  noch  folgendes  gesagt  werden:  Der  dem  Vor-rücken    des  Hölientrogs  entsprechende  hohe  Druckfall  wird  auf  der  Alpennordseite  durch  den  Einbruch  der  kalten  Luft  teilweise  kompensiert,  nicht  aber  im  Süden  der    Alpen,    wo  er  sich  ungehindert    bis  zum  Boden  durchsetzen  kann.  Er  führt  hier  bekanntlich zur  Bildung  eines  regelrechten    geschlossenen  Tiefdruckgebiets.  Da  auf  der  Nordseite  desselben,  längs  der  Alpenkette,  auf  die  sich  jedes  Druckgefälle  abstützen  kann,  höchstens  östliche  Winde  wehen  können,  so  bleibt  der  Alpensüd-hang  im  Bereich  der  wärmeren  Südluft.  Jedenfalls  kann  der  kalte  Luftstrom  von  Westeuropa  her  hier  nur  auf  der  Südseite  dieses  Tiefs  ostwärts  vordringen.  In  der  Endphase  dieser  Wetterlage,  wenn  die  kalte  Luft  auf  der  Nordseite  die  Kammhöhe  der  Alpen  erreicht,  kann  es  vorkommen,  daß  sie  die  Alpen  von  Norden  nach  Süden  überschreitet,  was  ebenfalls  eine  Labilisierung der Luft  auf  der  Alpensüdseite  bewirken  könnte.  (Es  sei  je-doch  bemerkt,  daß in  diesem  Fall  auf  der  Alpensüdseite  bald  Nordföhn    auftritt  und  den    Niederschlägen    ein    Ende  setzt.)  Ob  es  am  28.  dazu  gekommen  ist,  bleibt  zweifelhaft.  Die  kalte  Luft  mit  nördlicher  Komponente  kann  hier  kaum  größere  Höhen  als  etwa  2500  m  erreicht  haben.
Quelle: M. Grütter<br/>
Quelle: M. Grütter<br/>



Version vom 6. Januar 2020, 23:27 Uhr

Quick Facts

Type of Event Flood
Verification State QC1
ESWD Not reported
Location Kanton Tessin, Kanton Graubünden
Time / Duration 24 hours
Date 27.05.1958
Magnitude / Dimension >100mm of rain in 24 hours
Damage -
Fatalities -
Injuries -
Report Source chronicles, general archive
Remarks -

Ereignis

Am 27. Mai sind besonders auf der Alpensüdseite bedeutende Niederschläge zu verzeichnen.
Die eigenartige Verteilung derselben ist aus der Regenkarte Nr. 7, Tafel II, zu ersehen.
Ein Maximum von mehr als 140 mm liegt im «Centovalligebiet» (Camedo 149 mm, Locarno-Monti 97) ein zweites im Oberlauf des Tessins (Airolo 147 mm).
Von der Südspitze abgesehen, hat der ganze Kanton Tessin, das Misox, das Berninagebiet aber auch das Quellgebiet des Rheins, der Reuss und der Linth mehr als 60 mm Niederchlag erhalten.
Die Bodenwetterkarten zeigen ein flaches Hochdruckgebiet über Südwesteuropa und die Entwicklung eines Tiefs östlich von Berlin bis zum Nachtag.
Weit ausgeprägter ist die Druckverteilung in der Höhe (500-Millibarfläche).
Im Westen der Alpen liegt ein tiefer Höhentrog, der sich um 0l h des 27. von Spanien über Großbritannien nordwärts erstreckt und ein Gebiet kalter Luftmassen darstellt.
Diese Zone erweitert sich langsam ostwärts ohne die Alpen wirklich zu überschreiten.
Damit rückt die starke SSW-Höhenströmung auf der Ostseite des Troges näher an die Alpen heran.
Die Niederschläge im Tessin, die in Locarno-Monti schon um 4 h des 27. eingesetzt hatten und während der ganzen Regenperiode von zahlreichen Gewittern begleitet waren,
sind somit als Südstau- (bzw. Föhn)regen zu betrachten. Das Druckininimum wurde am Alpensüdfuß am 28. um 4 h morgens erreicht.
Bis zu diesem Zeitpunkt sind auf der Alpensüdseite keine nennenswerten Temperaturänderungen zu verzeichnen, nachher ist die Temperatur im Steigen begriffen.
Von einem Kaltlufteinbruch ist also hier jedenfalls bis um 4 h nichts zu erkennen. Ganz anders auf der Alpennordseite.
Hier knüpfen sich die ersten Niederschläge an einen kräftigen Temperaturrückgang. Zunächst besteht eine leichte Föhnlage.
Die Höhenstationen zeigen am 27. starken Südwind. Der Himmel war nicht vollständig bedeckt.
Es ergaben sich z. B. für Zürich noch 3 Stunden Sonnenschein und damit ein ausgesprochener Tagesgang der Temperatur.
Die Niederschläge setzen in Genf um 14 h, in Bern um 17 h 15, in Zürich um 19 h 50 ein und waren von einer ausgesprochenen Bö, auf einigen Stationen von Gewittern begleitet.
In Zürich dauern sie mit wechselnder Stärke bis in die Nachmittagsstunden des Nachtags.
Die Trennung der beiden Regengebiete in der Westschweiz und im Tessin ist auf die verschiedene Verursachung zurückzuführen.
In der Nordostschweiz waren schon am Vormittag einige anscheinend dimmerföhnartige Niederschläge zu verzeichnen.
Wie aus den spärlichen Beobachternotizen hervorgeht muß jedoch der Hauptanteil der Niederschläge in den Nachtstunden (27./28. Mai) gefallen sein.
Die Gotthardstation Gütsch verzeichnet Gewitter und Winddrehung von Süd nach Nord zwischen 21 und 24 h. Dies dürfte die Hauptstörung sein.
Auch die Niederschläge der Nordostschweiz stehen somit, wie die im Westen, mit dem Einbruch kälterer Luft auf der Alpennordseite in Zusammenhang.
Das Druckminimum wurde in Zürich um 18 h, also kurz vor dem Einbruch der kalten Luft erreicht.
Der Höhentrog der 500-Millibarfläche lag aber um diese Zeit noch westlich der Schweiz.
Seine Troglinie ist überhaupt kaum gewandert und bleibt auch an den folgenden Tagen im Westen liegen.
Auf der Höhenstation Testa Grigia (Theodul) geht die Temperatur von 1 h bis 10 h des 28. um 5 Grad zurück, eine Winddrehung von Süd nach Nordost erfolgte hier erst am 28. zwischen 8 und 10 h.
Der Pluviograph Sion (Wallis) verzeichnet ziemlich gleichmäßig fallende Niederschläge von 22 bis 9 h (27./28.).
Eine scharfe Trennung zwischen rein orographisch bedingten Stau- und Einbruchsniederschlägen ist natürlich im Süden der Alpen nicht möglich.
Die Hauptsache ist die Labilisierung der Luftmassen. Diese auffallende Niederschlagsverteilung im Tessin und in der Nordostschweiz ist schon wiederholt aufgetreten. Leider fehlt in den früheren Fällen das zur Be-urteilung nötige Beobachtungsmaterial fast gänzlich. Die Bodenkarten können naturgemäß recht verschieden sein. Die Existenz eines kalten Höhentroges im Westen ist aber zweifellos wesentlich. In einigen Fällen wurden wellenartige Störungen, die mit der Höhenströmung wandern, festgestellt. Der letzte ähnliche Fall der «Neu-zeit» ist derjenige vom 7. Juni 1956, doch gibt es sicher noch weitere mit geringeren Beträgen. Bei dem Fall vom 21. Juni 1933, der sonst fast die gleiche Verteilung, aber bedeutend größere Mengen aufweist, fehlt ein ausge-zeichnetes Regengebiet in der Westschweiz. Auch konnte damals kein deutlicher Einbruch kalter Luft nachge-wiesen werden. Ein Problem für sich bildet in diesem (und anderen Fällen) die Frage, auf welche Weise die Labilisierung der Luft auf der Alpensüdseite zustande kommt. Denn im vorliegenden Falle regnet es ja auf der Alpensüdseite zur gleichen Zeit wie auf der Nordseite. Nun kann man auf der Alpennordseite an Hand des Temperaturrück-ganges den Einbruch kälterer Luft, an den sich die Niederschläge hier knüpfen, ohne weiteres nachweisen (zum Teil handelt es sich um den Ersatz der warmen Föhnluft), während sich im Süden nichts derartiges zeigt. Auch die Erklärung ist auf der Nordseite einfach. Die Winde sind hier zwar in den tiefen Luftschichten schwach, die Bodenwetterkarte läßt aber doch ein deut-liches von Westen nach Osten (später NW-SE) gerichte-te s Druckgefälle erkennen, so daß die kalte Luft hier in den untern Schichten tatsächlich aus Nord bis Nordwest kommen muß. Wie steht es jedoch in den höhern Luftschichten? Hier weht der Wind von einer gewissen Höhe an ein-deutig aus Südwest. Soll man diese Strömung auch als kalt bezeichnen? Wie kommt es dann, daß man am Alpensüdfuß nichts von dieser «Kälte» merkt? Man muß jedoch unterscheiden zwischen kalter Luft und Kaltluft. Letzteres bedeutet nämlich in erster Linie eine labil geschichtete Luftmasse, die allerdings ursprünglich aus polaren Gegenden stammt und auch im vorliegenden Fall um das Höhentief herumgeflossen sein wird, so daß si e unser Land in der Höhe aus Südwesten erreicht, und trotzdem ein Vorrücken des Gebiets kalter Luft nach Osten bewirkt. Sie braucht dabei keineswegs als beson-ders kalt zu erscheinen. Sicherlich ist sie aber ziemlich labil geschichtet (großer vertikaler Temperaturgradient). Si e dürfte auch eine Höhenkaltfront mit sich führen. Diese Bemerkungen gelten aber für den ganzen Bereich der Kaltluft über Südwesteuropa. Was uns jedoch hier besonders interessiert, ist die Frage, warum die Luft im Gebiet der unmittelbaren Alpensüdseite bedeutend labiler geschichtet ist als die der Umgebung. Man hat mit Recht auf ihre Labilisie-rung durch Aufstauung am Alpensüdhang hingewiesen. Si e ist aber (am Alpensüdfuß) auch wärmer als die der Umgebung. Nun, was das anbetrifft: in der Umgebung, nicht nur auf der Alpennordseite, sondern auch in Süd-ostfrankreich und Spanien fließt ungehindert die kalte Bodenluftschicht nach Süden, nicht aber am Alpensüd-fuß, denn dort steht dieser Nordströmung die Alpen-kette im Wege. Wir meinen also, dies sei der Haupt-grund für die relative Labilisierung auf der Alpensüd-seite. Statt durch Kaltluftzufuhr in den Höhen, erklären wir sie durch das Ausbleiben der Kaltluftzufuhr in den untern Schichten. Diese Erklärung schließt andere keineswegs aus. Im Einzelnen kann über diese warme Luft am Alpen-südfuß noch folgendes gesagt werden: Der dem Vor-rücken des Hölientrogs entsprechende hohe Druckfall wird auf der Alpennordseite durch den Einbruch der kalten Luft teilweise kompensiert, nicht aber im Süden der Alpen, wo er sich ungehindert bis zum Boden durchsetzen kann. Er führt hier bekanntlich zur Bildung eines regelrechten geschlossenen Tiefdruckgebiets. Da auf der Nordseite desselben, längs der Alpenkette, auf die sich jedes Druckgefälle abstützen kann, höchstens östliche Winde wehen können, so bleibt der Alpensüd-hang im Bereich der wärmeren Südluft. Jedenfalls kann der kalte Luftstrom von Westeuropa her hier nur auf der Südseite dieses Tiefs ostwärts vordringen. In der Endphase dieser Wetterlage, wenn die kalte Luft auf der Nordseite die Kammhöhe der Alpen erreicht, kann es vorkommen, daß sie die Alpen von Norden nach Süden überschreitet, was ebenfalls eine Labilisierung der Luft auf der Alpensüdseite bewirken könnte. (Es sei je-doch bemerkt, daß in diesem Fall auf der Alpensüdseite bald Nordföhn auftritt und den Niederschlägen ein Ende setzt.) Ob es am 28. dazu gekommen ist, bleibt zweifelhaft. Die kalte Luft mit nördlicher Komponente kann hier kaum größere Höhen als etwa 2500 m erreicht haben. Quelle: M. Grütter

Messdaten

Übersicht Regenmengen >70mm vom 27.05.1958

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